Auf in die Einsamkeit

Schöne Songs für die Dämmerung, interpretiert von einem Star mit gereifter Grazie: Neil Diamond kommt mit seinem neuen Album „Home Before Dark“ nach München.
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MÜNCHEN - Schöne Songs für die Dämmerung, interpretiert von einem Star mit gereifter Grazie: Neil Diamond kommt mit seinem neuen Album „Home Before Dark“ nach München.

Neil Diamonds Stimme ist ein Relikt aus einer Zeit, als amerikanischer Pop noch nicht dem faden Diktat der Schönheits-OPs unterworfen war. „Home Before Dark“ heißt das neue Album von Diamond, die zweite mit Rick Rubin als Produzent eingespielte Produktion. Rubin hat diese Stimme befreit. Auch wenn er dies mit dem Personal und den Mitteln tut, die er schon bei Johnny Cash verwendet hat, sind die Produktionen nicht zu vergleichen. Cashs Stimme musste nicht aus den Zusammenhängen gelöst werden, um neu wirken zu können. Cash musste reaktiviert werden.

Neil Diamond braucht dagegen die Entkernung, die Entdeckung des Wesens seiner Pop-Songs abseits der Orchestrierung. „If I Don’t See You Again“, das erste Stück des Albums, beginnt mit der Gitarre und der Stimme des Sängers. Bass, Orgel, später ein Klavier schleichen sich auf Zehenspitzen in den Song, als wollten sie das Feeling der einfachen Wahrheit nicht stören. Die Instrumente tragen Diamonds Stimme zum „End of the Day“. Der Sänger sagt „Goodbye“, und zieht mit der machismofernen Grazie des gereiften Mannes leise die Türe zu.

Das Altern zugelassen

Dass Diamond „Another Day (That Time Forgot)“ mit Natalie Maines im Duett singt, ist ein Statement. Die kleine Dixie-Chicks-Sängerin mit dem losen Mundwerk wurde mit der Äußerung, sich für die texanische Herkunft von Präsident Bush zu schämen, ungewollt von der Country-Maus zur Gegenkultur-Ikone. Im Duett sehen die beiden, wie die Liebe ihnen durch die Finger gleitet. Und mit drei Klaviertönen von Benmont Tench tritt die Einsamkeit ins Zimmer.

Was Diamond und Cash verbindet, ist die Fähigkeit, Emotionen in einem Song zu erzählen. Diamond hat das Altern zugelassen. Und seine Stimme hat den herben Charme des gelebten Gefühls. Das klingt so banal, dass man es eigentlich zur Grundvoraussetzung jeder Produktion machen sollte. Gleichzeitig ist es die höchste Kunst des Pop-Gesangs. Mit der zweiten Rick-Rubin-Produktion wagt sich Neil Diamond noch ein ganzes Stück weiter in die Einsamkeit großer Songwriter.

Christian Jooß

„Home Before Dark“ (Columbia). Diamond spielt am Dienstag ab 20 Uhr in der Olympiahalle, Restkarten vorhanden.

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