Auf der Suche nach dem perfekten Spiel: Die Fußball-Matrix
"Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel" heißt das neue Buch des Fußball-Journalisten Christoph Biedermann. Dieses Werk über die "schönste Nebensache der Welt" ist gleichzeitig amüsant, anschaulich und lehrreich.
Am Anfang war die Ran-Datenbank. In den Neunziger Jahren wurde der Fußballfan durch die Ran-Datenbank mit Informationen gefüttert, von denen er nicht ahnte, dass er sie braucht. Wieviele Flanken kommen während der Partie von rechts, wieviele Freistöße braucht eine Mannschaft im Durchschnitt für den Torerfolg – die Ran-Datenbank hatte alle Antworten, auch wenn sie im Zweifel beim Zuschauer noch mehr Fragen aufwarf. Wie zum Beispiel: Wer sammelt all diese Daten, und wozu? Viel mehr als Technikhörigkeit der angeschlossenen Sendeanstalten mochte man als Zuschauer hinter dem allabendlichen Datensalat nicht erkennen.
Das war zu Zeiten, als Fußballer noch ehrbare Namen wie Roman Geschlecht trugen, und Erich Ribbeck beim FC Bayern die Nachfolge von Sören Lerby antrat. Andere Zeiten. Nicht nur die Vereine haben mittlerweile den praktischen Nutzen der Vermessung der Fußballwelt erkannt, sondern auch die Fans. Die Verwissenschaftlichung des Fußballs nicht nur eine Industrie mit einem Milliardenumsatz, sondern auch in den unterklassigen Ligen Tagesgeschäft. .
Der renommierte Fußballjournalist Christoph Biermann hat schon mit seinem Erstling „Wenn Du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen“ glaubhaft gezeigt, dass für ihn Fußball kein Spiel um Leben und Tod ist, sondern viel mehr als das. Im jetzt erschienen „Die Fußball-Matrix – Auf der Suche nach dem perfekten Spiel“ schließt er die Lücke zwischen Fußball-Traditionalisten, die Ran-Datenbank und Laktattest für Teufelszeug halten, und der neuen Fußballrealität. Er erklärt eine Wissenschaft, in der Jürgen Klinsmanns einst als „amerikanisches Gedöns“ gescholtenen Thera-Bänder so altbacken erscheinen, wie die Spieltaktik, mit der Otto Rehhagel die griechische Nationalmannschaft 2004 zum EM-Titel mauerte.
Biermann entführt den Fußballfan in eine Welt, in der Weisheiten wie „Der Sturm gewinnt Spiele, die Verteidigung gewinnt Meisterschaften“ auf ihren Wahrheitsgehalt seziert, analysiert und berechnet werden können. Auf der Suche nach dem perfekten Spiel vergleicht er mit Meistertrainer Felix Magath Fußball und Schach, besucht das geheimnisvolle Laboratorium des AC Mailand und das Leistungszentrum der TSG Hoffenheim. Mit Lionel Messi spricht er über Computerspiele an der Konsole, mit einem Ökonomen über dessen Plan, den Fußball berechenbar zu machen.
Biermann erfährt, wie man einen Elfmeter schießen sollte, warum die Drei-Punkte-Regel den Fußball defensiver gemacht hat, und wie Klubs grobe Fehler bei Spielertransfers vermeiden können. Wir werden beim Lesen von überkommenen Meinungen Abschied nehmen müssen, aber in den allgegenwärtigen Diskussionen über Fußball fundiertere Antworten darauf geben können, wie es zu Sieg und Niederlage kommt.
Dabei ist der Stil weder technokratisch, noch langatmig. Biermann präsentiert uns zur neuen Saison ein höchst bemerkenswertes Buch, amüsant, flüssig, anschaulich, lehrreich für Zaun-Nörgler, Statistikfanatiker, Jugendtrainer, Herzblutfans. Er zeigt den aktuellen Stand der Forschung, so wie er ihre Grenzen umreißt. Und stellt am Ende fest: „Fußball bleibt auch unter den Bedingungen von Wissenschaft und Digitalisierung ein System mit der Neigung zu Instabilität und Chaos.“
Liebevoller ist die Schönheit dieses Spiels selten beschrieben worden. Ayla Kiran
Die Vermessung der Fußball-Welt: Christoph Biermanns "Die Fußball-Matrix: Auf der Suche nach dem perfekten Spiel". Kiepenheuer&Witsch, 256 Seiten, Köln, 2009