Auf der Klaviatur der Betroffenheit
Konstantin Weckers „Carmina Bavariae“ bei den Orff-Tagen im Prinzregententheater: ein globaler Traum von heiler Welt, in der Hollywood nur einen Katzensprung vom Marienplatz entfernt ist.
Die Welt ist schlecht, wir wissen es. Einer, der in München geboren wurde, stemmt sich seit Jahren mit Hingabe gegen alles Böse, ob Obrigkeit oder Pharmaindustrie, mit Worten wie diesen: „Immer noch werden Hexen verbrannt auf den Scheitern der Ideologien“ – und muss am Ende doch resignieren: „Gerodete Dschungel, zerdachte Natur, bald bleibt den tapfersten Bäumen nur noch übrig, zerhackt und mit Politur vom Blühen und Werden zu träumen.“
Virtuos spielt Konstantin Wecker auf der Klaviatur der Betroffenheit. Das Publikum liebt ihn, auch diesmal im restlos ausverkauften Prinzregententheater, wo zum ersten Mal die Carl-Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie stattfanden.
Das Programmheft ziert ein Foto des Liedermachers, wie er mit weißer Latzhose am Klavier sitzt und der Komponist ihm über die Schulter blickt. Beide kannten sich: „Wir waren uns sehr nahe“, meint Konstantin Wecker. Und deshalb fasste er einige seiner Lieder zu einem Orff-ähnlichen „chorsymphonischen Zyklus" zusammen. Dirigent Mark Mast stellte das etwa 50 Minuten dauernde Opus am Eröffnungsabend einer reichlich harmlosen Aufführung der „Carmina Burana“ voran.
Da wird eine Menge Aufwand getrieben. Schauspieler und Kabarettist Andreas Giebel durfte melodramatisch über das Haberfeldtreiben räsonieren: „Jetzt hams di dawischt, so wia ma alle dawischn.“ Ein Tölzer Sängerknabe und drei weitere Solisten wünschten sich, „dass dieser Mai nie ende", und alles klang wie immer bei Wecker: gut gemacht, aber nicht bayerisch, wie der Titel „Carmina Bavariae“ vermuten ließ, eher ein globaler Traum von heiler Welt, in der Hollywood nur einen Katzensprung vom Marienplatz entfernt ist.
Die Zustimmung des Publikums war frenetisch. Dagegen anzumotzen, gehört sich wirklich nicht.
Volker Boser