Auf der dunklen Seite des Mondes

Auf der Berlinale überzeugt Christian Petzold mit dem intensiven DDR-Drama „Barbara”, während Udo Kier als Nazi in dem veritablen Trash-Film „Iron Sky” den Nazi auf dem Mond gibt
Florian Koch |
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Auf der Berlinale überzeugt Christian Petzold mit dem intensiven DDR-Drama „Barbara”, während Udo Kier als Nazi in dem veritablen Trash-Film
„Iron Sky” den Nazi auf dem Mond gibt

Sie ist und bleibt die kühle Blonde mit den großen, rätselhaften Augen. Nina Hoss ist wieder Christian Petzolds Muse im ersten deutschen Berlinale-Bärenjäger „Barbara”. Der Berliner-Schule-Meister versetzt die Zuschauer in die prekäre Lage einer Frau, die aus der DDR fliehen will, dabei aber ihr Gewissen als Ärztin aufs Spiel setzt.

So abgenudelt das Thema auch klingt und sämtliche Elemente der Story – fiese Stasi-Bespitzelungen, eine Frau zwischen zwei Männern – den Konventionen entsprechen, so überzeugend ist die Umsetzung. Der auf der Pressekonferenz merkwürdig aufgedrehte Petzold bleibt nah an den Figuren, verkneift sich simple, moralisierende Antworten und schürt somit das Interesse am Leben der Barbara.

Am Ende geht dem frechen Blödsinn die Puste aus

Mit mindestens so viel Spannung erwartet wurde der im Panorama laufende Anti-Berlinale-Trashfilm „Iron Sky”, ein ähnlich wie „Stromberg” über private Spenden finanziertes deutsch-finnisches „Liebhaberprojekt”. In der absurd-überdrehten Satire haben sich die Nazis 2018 auf der dunklen Seite des Mondes häuslich eingerichtet. Als ein farbiger Astronaut im Auftrag einer hysterisch-dummen US-Präsidentin à la Sarah Palin die Hakenkreuz-Mondstation entdeckt, ist es mit der „In Reih und Glied”-Ruhe jedoch vorbei. Trotz erstaunlicher guter Computer-Effekte und Irrsinnsideen wie Albino-Spritzen und Chaplins „Der große Diktator” als Kurzfilm-Propagandainstrument geht dem frechen Blödsinn schlussendlich doch die Puste aus, wenn die Nazis ganz in Emmerich-Manier die Erde angreifen.

Irgendwie fehl am Platz wirkt auch der spanische Wettbewerbsbeitrag „Dictado”. Der Mystery-Thriller um einen Lehrer, der in einem Mädchen ein Kind reinkarniert sieht, das er als kleiner Junge lebendig beerdigt hat, bedient brav alle Horror-Klischees. Mit routinierten Schocks vertreibt man aber eher einen Berlinale-Bären, als dass man ihn anlockt.

Bären-Chancen für "Caesar must die"

Ein Thema, das viele Wettbewerbsbeiträge eint, ist der Freiheitsgedanke. In „Coming Home” wird ein Mädchen jahrelang von einem Kidnapper gefangen gehalten, bis ihr die Flucht gelingt, und das zeigt das psychologisch stimmige, an den Kampusch-Fall angelehnte Werk gleich zu Beginn. Der Entführer, ein sozial deklassierter Waldarbeiter mit verhauenem Gesicht, will dem Kind ein Vater sein. Die macht das perverse Spiel mit und findet sich in Freiheit erneut in einem diesmal von der Gesellschaft errichteten Gefängnis wieder.

In einem echten Gefängnis spielt „Caesar must die” der Taviani-Brüder. Den charmanten älteren Herrschaften gelingt ein kluges Alterswerk, das gar nicht altbacken wirkt und sogar Bären-Chancen hat. Theater und Bühne werden auf raffinierte Weise verwischt, wenn die Knackis aus dem härtesten Sicherheitstrakt der römischen Rebbia-Haftanstalt „Julius Cäsar” aufführen sollen. Tränen fließen schon beim Vorsprechen und auch später wirken die Emotionen echter als an vielen Schauspielhäusern.

Dabei kann keiner der Mörder und Mafia-Mitglieder auf ein baldiges veni, vidi, vici hoffen. Es ist bewegend zu beobachten wie sich die Verstoßenen auf ihre Rollen stürzen und in ihren Zellen mit hartem Dialekt William Shakespeare rezitieren. Die Tavianis verzichten darauf, die Vorgeschichten der schweren Jungs auszubreiten, jedoch spricht bereits die Identifikation mit dem Drama, in dem Verrat und Machtstreben die Triebfedern sind, Bände. Ein wunderbar lebendiges Stück Doku-Fiction, zumeist in kargem Schwarz-weiß, das idealistisch die Kraft der Kunst als mögliche Resozialisierung andeutet.

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