Auf den Spuren von Hitchcock und Richard Strauss
Der wieder gesundete Christian Thielemann dirigerte seine Mannen im Gasteig
Was bei ihm immer wieder überwältigt, ist seine Fähigkeit, Übergänge zu gestalten. Davon konnte man sich auch diesmal überzeugen, vor allem in Mendelssohns „Schottischer Symphonie“. Zaghaft, manchmal fast übervorsichtig öffnete Christian Thielemann die Türen zu einem neuen Thema, das dann zunächst einmal deutlich langsamer als üblich vorgestellt wird.
Man mag das als eine gelegentlich allzu subjektive Lesart bemängeln – aber eines ist auch sicher: Wer sich als Interpret die musikalische Neugierde bewahrt hat, der schafft es auch, ein scheinbar bekanntes Werk immer wieder aufregend und spannend zu gestalten.
Mozart unnahbar
Das Kontrastprogramm zu dieser Mendelssohn-Entdeckungsreise lieferte der 65-jährige Pianist Radu Lupu: Er behandelte Mozart wie ein Porzellan-Püppchen, packte dessen letztes Klavierkonzert KV 595 in Watte, übertrieb die Melancholie und erzeugte eine gläsern-unnahbare Atmosphäre. Die Philharmoniker begleiteten vorsichtig und empfindsam – die bessere Lösung wäre gewesen, dem Solisten Paroli zu bieten.
Zu Beginn eine Uraufführung: Detlev Glanerts riesiges Adagio „Insomnium“ zitiert ausgiebig die Instrumentierungskünste eines Richard Strauss. Die Musik klingt spätromantisch und erinnert an jene theatralischen Klangabenteuer, die sich der Komponist Bernard Herrmann für Alfred Hitchcock ausgedacht hat.
Ach, ja: Was hat Christian Thielemann denn nun eigentlich gehabt, das ihn dazu bewog, das letzte Konzert sowie philharmonische Gastspiele in Köln und Paris abzusagen? „Nichts Ernsthaftes“ – so die lächelnde Antwort aus der Chefetage der Philharmoniker. Na, Gott sei Dank.
Volker Boser