Auch Mama hat ein Leben

Muss man als Mutter wirklich bierernst sein? In der Kinokomödie „Fliegende Fische müssen ins Meer” sucht Meret Becker nach einer Antwort – und denkt im Interview an ihre eigene Familie
von  Vanessa Assmann

Es ist nicht leicht, Tochter zu sein – und eine Mutter schon gar nicht. Meret Becker kommt aus einer Künstlerfamilie, ihre Eltern sind das Schauspieler-Paar Monika Hansen und Rolf Becker, ihr Bruder ist Ben Becker, und sie selbst hat sich etabliert als Sängerin sowie Schauspielerin für die großen, schrägen Rollen. Nun spielt sie in dem Kinofilm „Fliegende Fische müssen ins Meer” von Gilzin Kar die alleinerziehende Mutter Roberta, die mit ihren drei Töchtern in einem Dorf nahe des Rheins lebt. Weil Roberta mehr mit ihren Affären als mit dem Erziehen beschäftigt ist, muss das älteste Kind, Nana, sich verstärkt um ihre Geschwister kümmern. Aus Nanas Perspektive schaut sich der Film an, was Meret Becker als Mutter so treibt.

AZ: Frau Becker, haben Sie als Kind auch mal Ihre Mutter mit der von Freundinnen verglichen, wie es Nana im Film macht?

MERET BECKER: Natürlich, das macht jedes Kind. Ich weiß aber auch noch gut, dass ich mich bei allen anderen fremd gefühlt habe. Selbst wenn ich’s bei anderen viel aufgeräumter fand und viel ordentlicher, kam mir meine Familie immer am normalsten von allen vor. Auch im Vergleich zu anderen Künstlereltern fand ich meine normaler.

Inwiefern?

Meine Mama ist in gewisser Weise auch sehr bodenständig. Ich glaube, es hat unter anderem damit zu tun, dass meine Mutter selbst auch schon in einer Künstlerfamilie aufgewachsen ist. Da gab es gar kein Bewusstsein: Wir machen was anders als andere. Es hat sich einfach durch vier Generationen durchgesetzt.

War es als Künstlerkind schwierig in der Schule?

Man muss dazu sagen, dass es in den Siebziger Jahren überhaupt nicht schick war, Schauspieler zu sein. Mein Vater war noch nicht berühmt. Man war „fahrendes Volk”, Gaukler, Gesocks. Und wir passten ins Klischee: Wir haben verschlafen, wir kamen zu spät, haben oft keine Hausaufgaben gemacht. Außerdem sah ich anders aus, trug andere Klamotten. Das alles kam in der Schule nicht so gut an. Auf dem Gymnasium gab es sogar Kinder, die durften nicht zu mir zum Geburtstag kommen.

Roberta lässt sich als Mutter auch keine Klischees diktieren. Wie sind Sie an die Rolle rangegangen?

Ich musste gut überlegen, wie ich da rangehe. Natürlich ist alles überzeichnet, aber es bleibt eine Gratwanderung. Ohne Robertas Verhalten zu entschuldigen, muss man die Figur verständlich machen. Immerhin: Sie liebt ihre Kinder – das ist mehr als manche von sich behaupten können. Aber sie ist auch ein totaler Egoist und nimmt sich viel Raum. Es ist schwer, Kinder zu erziehen, gerade als Alleinerziehende, das sollte rüberkommen. Man verurteilt so leicht.

Was hat Sie an der Rolle der Roberta gereizt?

Was mir natürlich Spaß gemacht hat, ist, drei Kinder zu haben. Dann die Diskrepanz: Wie viel darf ich mir als Mutter bewahren, von meiner Persönlichkeit, was muss ich aufgeben? Muss ich als Mutter bierernst werden? Wo fängt das an, wo hört das auf? Abgesehen von der Rolle der Roberta, mag ich die Arbeit von der Regisseurin sehr. Sie hat sehr klare Vorstellungen, hat alles im Griff und dabei ein großes Herz und Humor.

Roberta steht ihrer Tochter letztlich nicht im Weg, sondern öffnet ihr eher Türen.

Man muss seinem Kind alle Türen öffnen. Es geht darum, den Vogel auch fliegen zu lassen oder eben den fliegenden Fisch ins Meer zu lassen. Gleichzeitig muss ein Kind ein Gefühl der Sicherheit haben, dass das Nest da ist. Das kann man nur, indem man Grenzen setzt. Für Eltern ist das aber schwer, immer zu sagen: Das darfst du, das darfst du nicht.

Die Frauen im Dorf trösten sich über ihren Alltag hinweg, indem sie Kosmetikpröbchen im Katalog bestellen. Der nächste Schritt wäre wohl die Tupperwarenparty. Haben Sie mal etwas in der Art gemacht?

Nein, ich war noch nie auf einer Tupperwarenparty. Ich kenne das nur aus Erzählungen. Dafür bin ich aber manchmal eine begeisterte Werbesendungs-Guckerin. Für kurze Momente bin ich davon wirklich fasziniert. Das hat schon was, wenn dort auf einer Luftmatratze ein Bär rumhüpft.

Und haben Sie auch schon mal was bestellt?

Die Luftmatratze mit dem Bären hab’ ich mir bestellt. Kam aber ohne Bär.

„Fliegende Fische müssen ins Meer” läuft im Neuen Rottmann. Meret Becker ist auch Freitag Abend in „Die Lehrerin” ab 20.15 Uhr auf arte zu sehen.

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