Auch die Möpse machen den Marktwert
Im Traum von der Märchenhochzeit steckt der Horror überzogener Erwartungshaltungen, die Gefahr, das Eheversprechen zu einem Spektakel aufzublasen, in dem es mehr um das Dekor als die Romantik geht. Zudem erzeugt der Drang zur Schau mächtig Druck, den Holger Dreissig in seiner Performance „Heiratsmarkt” im i-camp weitgehend amüsant abbaut. Da sitzen er, seine zwei männlichen und zwei weiblichen Mitstreiter im Brautkleid und lassen den Sauerstoff aus Luftballons quietschend ausströmen. Märchenhochzeit? Nur heiße Luft.
Es sind solche verqueren Bild-Ideen, die den Reiz von Dreissigs 21. „Verwaltungsperformance” ausmachen. 1992 begann er mit seiner auf 24 Folgen angelegten Performance-Reihe, die dem Zuschauer alle Facetten des gesellschaftlichen Normen-Korsetts vor Augen führt. Man zwängt sich hinein, und auch der Heiratsmarkt erfordert immer wieder Kleiderwechsel. Dreissig hat einen Parcours in drei Teilen errichtet, vom Morgen über den Mittag bis zum Abend. Vor imaginierten Spiegeln werden die Gesichter tagestauglich gemacht, bereit für die Selbstvermarktung, was mit den Schuhen unten beginnt. Auf der Bühne liegen sie, von Pumps bis zu Schweinchen-Puschen, die in ihrer Form ans weibliche Genital erinnern. O schöner Fetisch!
Getanzt wird bei Dreissig auch, mit dem Maßband in der Hand, zünftig bayerisch. Es ist ein Terror des Vermessens und Gemessen-Werdens, der eine Rebellion vertragen könnte. Die zum Klischee geronnenen Guy-Fawkes-Masken kommen zum Einsatz, und die jugendliche Braut erstarrt in Unschuld. Was im Wettbewerb zählt, sind Muskeln, Möpse und Moneten. Dreissig macht sich einen Spaß daraus zu zeigen, wie schlaff die (Luftballon-) Hüllen eigentlich sind, und auch wenn der Spielfluss ab und zu bei den wortverspielten Texten hakt, überträgt sich das Vergnügen.
i-camp, Entenbachstraße 37, 14. und 15.1., sowie vom 18. bis 22.1.2012, 20.30 Uhr, Tel. 65 00 00
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