Angezogene Handbremse

War es ein zu großes Wagnis, Startenor Rolando Villazón Schumann in Berlin singen zu lassen? Im Nachhinein nicht, denn trotz dem, vielleicht zu schwierigem Stück, jubelte ihm das Publikum am Ende begeistert zu.
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War es ein zu großes Wagnis, Startenor Rolando Villazón Schumann in Berlin singen zu lassen? Im Nachhinein nicht, denn trotz dem, vielleicht zu schwierigem Stück, jubelte ihm das Publikum am Ende begeistert zu.

Die PR-Maschine rollt wieder auf vollen Touren, nachdem sich Startenor Rolando Villazón eine halbjährige Auszeit gegönnt hatte. Von Verschleißerscheinungen wollen er und seine Plattenfirma nichts wissen und setzen weiterhin auf strahlend gleißende Stimmenpräsenz. Sein Freund und Förderer Daniel Barenboim hingegen schien zur Besonnenheit zu mahnen und konnte Villazón nun zu einem gemeinsamen Liederabend in der Berliner Staatsoper ermuntern.

Ein mexikanischer Sonnyboy auf den zerbrechlich sensiblen Pfaden von Schumanns „Dichterliebe“-Poesie, von Heines scharfzüngig lyrischer Hintergründigkeit: Konnte das gut gehen?

Es blieb beim Versuch

Barenboim schickte seinen Sänger aufs spiegelnde Glatteis, und diese „Dichterliebe“ geriet denn auch zur abenteuerlichen Rutschpartie. Mit angezogenen Handbremse zu singen, sich in die Intimität poetischer Details zu versenken und die Geheimnisse romantischer Klänge zu erlauschen, das sind nicht die Welten von Rolando Villazón. Er, der Strahlemann unter den glückseligen, leidenden und sterbenden Opernhelden blieb in Schumanns „Dichterliebe“ ein neutraler Erzähler, berichtete von Sehnsüchten und Leidenschaften, die er selber nicht zu begreifen schien. Bei allem Respekt vor der deutschen Aussprache winkte es hier weder aus alten Märchen noch flüsterten die Blumen in stummem Mitleid.

Die Tiefendimensionen der Pianoregister auszuleuchten blieb seiner „mezza voce“ versagt, und der traumhaft sichere Partner Daniel Barenboim hielt so manches Mal die schützende Hand über dem rhythmischen Ungefähr seines Sängers.

Auch dem Nuancenreichtum der vier Lieder von Henri Duparc war Villazón kaum gewachsen, und so kam seine Stunde erst mit den italienischen Petrarca-Sonetten von Franz Liszt. Er sang sie mit solch beseeltem Schmelz und tenoraler Leuchtkraft, als ob Francesco Tosti diese Musik geschrieben hätte.

Aber die Welt des Rolando Villazón war wieder in Ordnung, seine Stimme strahlte in glanzvoller Helle wie eh und je, und nach den Zugabe-Schmonzetten lag ihm sein Publikum in alter Jubelgewohnheit zu Füßen.

Rüdiger Schwarz

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