An der Hörgrenze

Das Publikum des Münchener Kammerorchesters ist zeitgenössische Musik eigentlich gewöhnt. Das lange stille Rauschen am Ende von Mark Andres „kar“ war einigen aber dann doch zu viel
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Das Publikum des Münchener Kammerorchesters ist zeitgenössische Musik eigentlich gewöhnt. Das lange stille Rauschen am Ende von Mark Andres „kar“ war einigen aber dann doch zu viel

Wer schon ein paar Theater- und Musik-Skandälchen hinter sich hat, der weiß: Buhs sind recht einfach zu bekommen. Man muss nur für eine Weile so gut wie gar nichts machen, und schon wird das geneigte Publikum rebellisch, weil es sich um Zeit und Geld betrogen fühlt.

Auch bei der Uraufführung von Mark Andres „kar“ wirkte der Reflex. Eine gezupfte Figur entwächst einem Bewegungsimpuls. Sie verändert sich unmerklich. Ihre Entwicklung mündet in eine ätherisch zarte, den Rauschgoldengelkitsch streifende Passage mit glockenähnlichen, mit Stimmgabeln erzeugten Klängen. Ihrem Verlöschen folgte für gefühlte drei Minuten leises Rauschen, bei dem die Streicher mit den Bögen die Korpusse ihrer Instrumente strichen.

Leise macht ungeduldig

Es war nicht schwer, den Zusammenhang zum Saison-Motto „Jenseits“ des Münchener Kammerorchesters herzustellen. Die ungewohnte Klanglichkeit wirkte schlüssig. Aber der langsame Duktus und die Lautstärke zwischen der Hörgrenze und dem Ventilatorengeräusch der Scheinwerfer reizte einige so sehr, dass sie ihrer Verstörung Luft machen mussten. Das ist besser, als die Befremdung über das Neue hinunterzuwürgen – vor lauter Freundlichkeit wird sowieso viel zu wenig über Neue Musik gestritten.

Das gegenüber dem leicht fasslichen „kar“ von Andre eher hermetische „Mystère de l’instant“ des Henri Dutillieux wurde widerspruchslos goutiert, weil der Komponist auf experimentelle Spielweisen verzichtet. Die irrlichternden Verläufe erweiterte und verdeutlichte ein Cymbalon, dessen ungarische Hackbrett-Exotik seine Wirkung nie verfehlt.

Perfektion bei Wagner und Ravel

Bei Wagners „Siegfried-Idyll“ nahmen der Dirigent Alexander Liebreich und die hervorragenden Gast-Bläser das ruhig bewegte Grundtempo als Aufforderung zur Gelassenheit, die sich von der unangenehmen Forciertheit so vieler Konzerte erfreulich abhob. Besonders gelang die leicht elegische Eintrübung des Stücks kurz vor Schluss. Zu guter Letzt brillierte der Pianist Alexander Lonquich in Maurice Ravels Weltabschiedswerk Klavierkonzert G-Dur. Der wunderbare Dialog zwischen dem Englischhorn und dem Solisten wird noch lange im Gedächtnis haften.

Robert Braunmüller

Am 26. 2. veranstaltet das MKO ein Benefizkonzert für die Münchner Aidshilfe. Karten: Tel. 46136430

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