Amor piekst Raubtier-Frau

Meisterwerke Franz von Stucks in der Villa Stuck zum 80. Todestag des Malerfürsten
von  Abendzeitung

Meisterwerke Franz von Stucks in der Villa Stuck zum 80. Todestag des Malerfürsten

Die arme Frau muss sich seit 115 Jahren obenrum freimachen, eine Schlange schultern und ihren schönsten Schlafzimmerblick aufsetzen. Franz von Stucks Bestseller-Bild „Die Sünde“ war so erfolgreich, dass er es seit 1891 in einem guten Dutzend Fassungen malte. Heute ist die Pose der lasziv Lockenden im Halbdunkel auf jedem Cover denkbar. Bei der ersten Münchner Secessions-Ausstellung 1892 bedeutete sie noch einen Skandal. Allerdings einen wohlkalkulierten.

Denn Stuck, der Müllersohn aus Niederbayern (1863 – 1928), der in München zum reichen Malerfürsten mit selbstentworfenem Wohn-Gesamtkunstwerk an der Prinzregentenstraße aufstieg, war ein ebenso begnadeter Maler und Bildhauer wie Vermarkter seiner Bildideen. Die Villa Stuck richtet ihrem einstigen Hausherrn in dessen 80. Todesjahr nun eine Schau aus, die sich auf antike und biblische Allegorien konzentriert.

Für die in elf Themenkreise gegliederte und entspannend locker gehängte Schau auf drei Etagen trug Kuratorin Margot Brandlhuber 54 Gemälde und Pastelle zusammen, darunter selten gesehene Leihgaben aus Privatbesitz und Museen von Paris bis St. Petersburg.

Sexuell hochaktive Protagonisten

Ob Sünde, Salome oder Sphinx – Stucks Verführerinnen mit dunklen Konturen und fast weißem Inkarnat sind Versuchung und Gefahr ins Gesicht geschrieben. Der Lehrer von Klee und Kandinsky beherrschte die Kunst, seine sexuell hochaktiven Protagonisten mythologisch aufzuhübschen, fast so gut wie einst Tizian.

Dafür war auch ein gutes Gespür für den Zeitgeist nötig. In „Kampf uns Weib“ von 1905 etwa werden die Männer wieder zu muskelbepackten Primaten, die ihren Genen das Überleben notfalls mit Gewalt sichern. So deutet der Katalog das Werk im Spiegel von Darwins damals durchschlagender Evolutionstheorie. Und der wolllusttrunkene Ödipus in „Kuss der Sphinx“ bietet sich an, im Sinne Freuds interpretiert zu werden – auch wenn Stuck selbst keine Angaben zu geistigen Inspirationsquellen machte.

Heiter, aber nicht harmlos

Er konnte beklemmend-apokalyptische Massenszenen wie „Der Krieg“ (1894) so effektvoll wie feinsinnig im Detail inszenieren. Eine Pastellzeichnung von 1888 wiederum, in der sich eine hochgeschlossene Dame vom nackten Amor-Putto pieksen lässt, ist heiter im Ton, harmlos ist sie nicht.

Die Schau zeigt auch, dass Stucks Kompositionen in Form und Farbe hochmodern waren. Etwa der kühne Bildausschnitt der „Kreuzigung“ (1913) und die farbig prägnanten Ölskizzen der „Sieben Plagen“. Oder der „Bacchantenzug“ (1897): Von einer Wiese unter weißblauem Himmel ziehen die Trunkenen in einen dunklen Wald, der über die Hälfte des Gemäldes einnimmt. Das ist nicht nur wunderbar gemalt, sondern auch eingängig interpretiert.

Roberta De Righi

Bis 15. März, Di – So, 11 bis 18 Uhr, Katalog 29 Euro

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