Amadeus Wiesensee in Nymphenburg

Der Pianist mit dem Barbican Quartet im Hubertussaal
Michael Bastian Weiß |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der Pianist Amadeus Wiesensee.
Sammy Hart Der Pianist Amadeus Wiesensee.

Auf den ersten Blick könnten die beiden Klavierquintette, die das junge Barbican Quartet mit dem Pianisten Amadeus Wiesensee im Rahmen des Nymphenburger Sommers spielt, unterschiedlicher nicht sein: Mit dem Klavierquintett Nr. 2 A-Dur schrieb der reife Antonín Dvorák ein von schwärmerischer Melodik und ungebremster Klangschwelgerei durchtränktes Werk. Der Mittdreißiger Dmitri Schostakowitsch hingegen machte sein Klavierquintett g-moll zu einem existenziellen Bekenntnis, einem Reflex auf den Beginn des Zweiten Weltkrieges, ähnlich wie die Symphonien Nr. 6 und 7, zwischen denen es entstand.

Zum Übertreiben neigt Amadeus Wiesensee nicht; der auch philosophisch ausgebildete Pianist, unter anderem Träger des Bayerischen Kunstförderpreises, gehört zweifellos zu den reflektiertesten Musikern der jungen Generation.

Hier aber mildert er den schweren Akkord, mit dem Schostakowitsch sein einziges Klavierquintett beginnt, nicht in tragischer Größe ab, sondern stanzt ihn mit sehnigen Fingern in den Flügel wie einen Aufschrei. Die tiefe Lage, mit dem das Barbican Quartet in diese laut rufende Klage einsetzt, fängt diese nicht etwa beschwichtigend auf: Die drei Damen und der eine Herr an der Bratsche, die letztes Jahr den ersten Preis beim AR-Musikwettbewerb gewannen, stürzen sich mit vollem Bogen auf ihre Instrumente, feuern gleichsam aus allen Rohren, und erzeugen einen im Nymphenburger Hubertussaal einen stehenden, geradezu körperlich anfassbaren Klang, der an eine barocke Passion gemahnt.

Diese Assoziation dürfte dem Komponisten, der zehn Jahre später mit 24 Präludien und Fugen Johann Sebastian Bach seine Reverenz erwies, nicht fremd gewesen sein, und auch das Klavierquintett legt mit einer Fuge, die die beiden Violinen, das Violoncello und die Bratsche nacheinander in beklemmender Tonlosigkeit entwickeln, Schostakowitschs Orientierung an der Tradition offen. Nach einem solchen im wahrsten Sinne des Wortes ergreifenden Werk hätte das Publikum sicherlich Verständnis dafür gehabt, wenn das Barbican Quartet und Amadeus Wiesensee die serenadenhafte Seite des Klavierquintetts von Dvorák betont hätten. Die so sensiblen wie mutigen Musikerinnen und Musiker gehen jedoch nach dem kompromisslos durchlebten Kriegsquintett nicht einfach zur Tagesordnung über, sondern entdecken bei Dvorák ein Molto Appassionato, das möglicherweise den Komponisten selbst leicht erschreckt hätte. Einfach grandios.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.