9/11 im deutschen TV: Gebühren für Verschwörungstheoretiker
Wie Fernsehsender die Terroranschläge von 2001 im Programm verarbeiten - und ProSieben das ZDF vorführt
"Die Wrackteile könnte auch jemand da hingelegt haben", sagt der Mann mit dem sächsischen Dialekt und meint damit die Flugzeugtrümmer, die man nach den Anschlägen vom 11. September an den Unglücksorten fand. Hier spricht der ehemalige Bundesforschungsminister Andreas von Bülow, der inzwischen zum Star der Verschwörungstheoretikerszene zu 9/11 avanciert ist.
Bülow verdient viel Geld mit Büchern und Vorträgen, zu denen gerne auch mal der Rechtsradikale Horst Mahler kommt, und behauptet unter anderem, dass der israelische Geheimdienst Mossad der wahre Drahtzieher sei. Jetzt durfte der Ex-Politiker einmal wieder seine Ansichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verbreiten - nicht nur unkommentiert, sondern als Kronzeuge.
Kevin Bacons Synchronstimme sorgt für Dramatik
ZDF-Starhistoriker Guido Knopp war sich nicht zu schade, die "Lange Nacht der Verschwörungstheorien" anzukündigen, in der die Macher reißerisch die abenteuerlichsten Varianten aneineinanderreihen und als durchaus wahrscheinlicher Tathergang präsentieren. Jedes offizielle Untersuchungsergebnis wird mit den Aussagen der "Skeptiker", zu denen auch amerikanische Teenager zählen, konfrontiert - und scheinbar widerlegt. Die Synchronstimme des Hollywood-Schauspielers Kevin Bacon verleiht dem Ganzen zusätzliche Dramatik.
Dass alle erwähnten "Ungereimheiten" inzwischen wissenschaftlich erklärbar sind, ficht das ZDF nicht an. Im Gegenteil: Darüber fällt kein einziges Wort. Dazu passt schließlich auch, dass der Sender mit dem "Bildungsauftrag" vor zwei Jahren sogar in einem "Online-Voting" darüber abstimmen ließ, wer die "wahren Drahtzieher" der Terroranschläge seien.
Physiker, Chemiker und Sprengstoffexperten widerlegen die kruden Theorien
Dass es seriöser geht, demonstriert der Privatsender ProSieben. "Galileo Mystery" widmet sich gestern Abend exakt den gleichen Verschwörungstheorien, die am Vortag noch vom ZDF unkritisch ins Feld geführt wurden - und lässt sie von Physikern, Chemikern, Sprengstoffexperten und Piloten falsifizieren.
Danach räumt Moderatorin Christiane Gerboth mit ihrem Team in "Focus TV" (Chefredakteur: Andreas Pfeffer) weiter mit den absurden Thesen auf, demaskiert die "so genannten Experten" und geht auch der Frage nach, warum diese viel Zuspruch finden. Peinlich fürs ZDF, das sich fragen lassen muss, warum es mit Gebührengeldern modische Verschwörungsphantasien finanziert.
Timo Lokoschat