„Es war die Apokalypse“
RANGUN/MÜNCHEN - "Es war furchtbar, wie die Apokalypse“ – der Münchner Arzt Heinz Schoeneich saß in einem Hotel in Rangun, als Orkan „Nagris“ über Birma hinwegzog. Mindestens 22.000 Menschen kamen ums Leben. Wie Schoeneich den Zyklon erlebte – und knapp davon kam.
Die Opferzahlen in Birma steigen immer weiter: mindestens 22000 Tote, 41000 Menschen werden vermisst, Hunderttausende sind obdachlos. 24 Millionen Menschen – die Hälfte der Bevölkerung in Birma – sind laut Uno von der Katastrophe betroffen. „Ich bin immer noch geschockt“, sagt der Münchner Arzt Heinz Schoeneich der AZ. Er ist dem Killer-Orkan gerade noch entkommen.
Wenige Stunden nachdem er am Samstag in seinem Hotelzimmer in Rangun angekommen war, verwüstete Zyklon „Nagris“ das Land. „Ich wurde vom Getöse wach. Türen und Fenster klapperten und dann flogen an meinem Fenster auch schon riesige Äste vorbei.“ Mit seinen Ärzte-Kollegen von der Initiative „Interplast Germany“ verschanzte sich Schoeneich im Hotel. „Das Meer toste wie in einem Inferno. Lose Stromkabel peitschten durch die Luft.“ Ein Teil des Schindeldachs krachte auf die Terrasse – nur wenige Meter vor Schoeneich. „Es war einfach furchtbar, wie die Apokalypse“, sagt der Münchner und kämpft mit den Tränen.
"Wir kamen einfach nicht weg"
Nach zweieinhalb Stunden kehrte dann Stille ein. „Wir liefen mit unseren Arztkoffern durch die Straßen von Rangun, aber nirgends waren Menschen zu sehen.“ In Regionen, wo „Nargis“ schlimmer gewütet hatte, kam das Team nicht. „Wir saßen auf unseren Koffern, warteten, doch keiner nahm uns mit ins Irrawaddy-Delta. Wir kamen einfach nicht weg“, sagt Schoeneich.
Zurück im Hotel dann der nächste Schreck: Die Essensvorräte waren rationiert. „Wir haben nicht geduscht, weil sonst die Trinkwasser-Versorgung nicht gewährleistet war“, sagt Schoeneich.
Unzählige Leichen in den Straßen
Die Infrastruktur in Birma ist seit dem Wochenende völlig zerstört, Strom gab es über Stunden nicht, Telefonleitungen sind gekappt. Die Menschen versuchen mit großen Küchenmessern und Äxten die umgestürzten Bäume wegzuräumen. Langsam werden auch Lebensmittel und Trinkwasser knapp. Eine Flasche Wasser, so Schoeneich, kostet statt 30 Cent einen Dollar. „Das kann sich keiner in Birma leisten.“
Am schlimmsten ist die Not im Irrawaddy-Delta, wo die Ärmsten lebten. Helfer berichteten laut dem Sender BBC nach einem ersten Hubschrauberflug von unzähligen Leichen in den Straßen. Es sind Bilder, die auch Schoeneich nicht los lassen. „Aus dem Flieger sah ich die Vororte. Wo vorher Bambushütten waren, gab es nur noch Wasser. Sonst nichts. Die Orte waren weg, wie vom Erdboden verschluckt.“
Auch die internationalen Hilfsorganisationen vor Ort fürchten das Schlimmste. Marcel Wagner von der deutschen Hilfsorganisation „Adra“ zur AZ: „Wir sind in einer absoluten Notstandssituation. Die Tonnen an Lebensmittel bringen nichts, wenn es kein sauberes Wasser zum Kochen gibt.“
Am liebsten zurück, um zu helfen
Lieferungen mit Nahrung, Medikamenten und Zelten seien unterwegs – bei der Bevölkerung angekommen waren sie gestern noch nicht. Denn zahlreiche Helfer sitzen laut Uno-Angaben im benachbarten Thailand fest, weil sie von der birmesischen Militärjunta kein Visum bekamen. „Wir müssen schnell handeln“, so Wagner, „in drei Wochen fängt die Regenzeit an, dann droht Malaria, Cholera, das Dengue-Fieber.“
Auch Schoeneich würde am liebsten sofort zurückfliegen, um zu helfen. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen“, sagt er der AZ, „ich kann hier nichts tun.“
Anne Kathrin Koophamel
- Themen:
- British Broadcasting Corporation
- UNO