Sadistischer Mädchenmörder wieder frei
1968 hat ein heute 70-Jähriger drei bestialische Morde in Oberfranken verübt. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß – und lebt in einem Altenheim.
COBURG/NÜRNBERG Zwei Jahre dauerte das juristische Tauziehen, das am Ende zugunsten eines dreifachen Mädchenmörders ausging. Unbemerkt von der Öffentlichkeit kam er nach 43 Jahren hinter Gittern wieder auf freien Fuß. Der Mann, der eine ganze Region in Angst und Schrecken versetzt hatte und seiner Heimatgemeinde Kaltenbrunn (Kreis Coburg) zu einem bleibenden Trauma verhalf, lebt seit drei Monaten in einem Altenheim in Franken.
Stephan Harbort, Kriminalist, Wissenschaftler und Buchautor, gilt in Deutschland als der Experte für Serienmorde. In seinem Buch „Das Hannibal-Syndrom“ (Piper-Verlag) setzt er sich auch mit der Psyche des oberfränkischen Mädchenmörders auseinander. Mehrfach hat er ihn in der Justizvollzugsanstalt Straubing besucht. Harborts Einblicke in das abgründige Seelenleben des jetzt 70-jährigen Serienmörders sind erschreckend.
Als er vor gut 40 Jahren als sadistischer Mädchenmörder entlarvt worden war, kochten in seiner Heimatgemeinde Kaltenbrunn und den umliegenden Ortschaften die Emotionen hoch. Was die Menschen dort so entsetzte, war der unglaubliche Sadismus, den der Dorfbewohner bei der Ermordung der Mädchen an den Tag gelegt hatte. Dazu schreibt Harbort in seinem Buch: „Der sadistische Tötungsakt ist ausschließlich auf das Quälen des Opfers gerichtet.
Es ging dem Mörder dabei nur um Dominanz, Macht, Kontrolle, Entmenschlichung, Vernichtung.“ Zwischen Dezember 1968 und November 1969 hatte der gelernte Schreiner drei Mädchen im Alter von 14 und 16 Jahren in seine Gewalt gebracht und auf bestialische Weise getötet. Damals, analysiert Harbort den psychischen Zustand des Mörders, habe dieser nach exzessiver Gewalt geradezu gegiert.
Unzählige Male habe er das Foltern, Quälen und Töten von jungen Mädchen in seiner Phantasie durchgespielt und ausgekostet. Und irgendwann hätten ihm diese Phantasien nicht mehr gereicht. Das Coburger Schwurgericht, das ihn 1971 zu dreimal lebenslanger Haft verurteilte, hielt den Kaltenbrunner für voll schuldfähig. Psychiater, die ihn begutachteten und im Prozess zu Wort kamen, äußerten im Lauf des Verfahrens Zweifel an seiner Therapiefähigkeit.
2011 aber präsentierte er das Gutachten eines Psychiaters, der die Ansicht vertrat, dass der Langzeit-Häftling unter bestimmten Auflagen in die Freiheit entlassen werden könnte. Das war der Beginn eines zweijährigen juristischen Tauziehens. Die Staatsanwaltschaft in Coburg, die den Dreifachmörder nach wie vor als hochgradige Gefahr für die Allgemeinheit einschätzt, wehrte sich gegen die Entlassung, musste sich am Ende aber der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg beugen.
In Kaltenbrunn, der Heimatgemeinde des Mädchenmörders, hat sich seine Freilassung wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Auch wenn kaum jemand über die Schreckensereignisse vor über 40 Jahren reden will, sind die Taten ihres ehemaligen Nachbarn, der in der Dorfgemeinschaft fest integriert war, noch immer gedanklich präsent. „Bei uns“, sagt ein Dorfbewohner, „braucht er sich nicht blicken lassen.“
Der Mann in der Altersklasse des entlassenen Täters erinnert sich noch gut an die aufgeheizte Stimmung nach dessen Festnahme: „Einige forderten die Todesstrafe, andere wollten ihn gleich lynchen.“ Die Möglichkeit, dass er unverhofft in Kaltenbrunn auftauchen könnte, ist nahezu ausgeschlossen. „Er lebt in einem Altenheim und bedarf ständiger ärztlicher Betreuung. Seine Mobilität tendiert gegen Null“, sagt Nürnbergs Justizsprecher Michael Hammer.
Dass der entlassene Dreifachmörder kaum noch laufen kann und selbst auf kleinsten Strecken Pausen einlegen muss, hat auch Anton Lohneis, Chef der Coburger Staatsanwaltschaft, zur Kenntnis genommen. „Der schlechte Gesundheitszustand“, sagt er, „war sicherlich einer der maßgeblichen Gründe für die Aufhebung des Haftbefehls.“
Welches Altenheim sich dazu bereit erklärt hat, den Langzeithäftling aufzunehmen, ist geheime Kommandosache der Justiz. Immerhin lässt der Nürnberger Justizsprecher durchblicken, dass der 70-Jährige rund um die Uhr betreut wird und auch noch verschiedene Auflagen erfüllen muss.
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