Die Wolfgang-App erklärt die Musik

Gelungenes Experiment: Die Münchner Symphoniker schicken neuerdings im Konzert ein Live-Programmheft per App auf das Smartphone
Robert Braunmüller |
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Der Dirigent Kevin John Edusei.
ho Der Dirigent Kevin John Edusei.

Wer mehr weiß, hört besser. Natürlich steht in jedem Programmheft, dass sich in Antonín Dvo(r)áks Symphonie „Aus der Neuen Welt“ Einflüsse von Negro Spirituals hören lassen. Aber das bleibt normalerweise graue Theorie, weil die sinnliche Erfahrung der Musik bei der Lektüre des Artikels auseinanderfällt. Selbst wenn der Hörer den Artikel während des Konzerts liest, bekommt er die Informationen nicht wirklich zeitgleich zur Musik.

Die von Orchestern in den Niederlanden mit viel Erfolg eingesetzte App namens „Wolfgang“ bringt beides zusammen. Die Münchner Symphoniker haben sie am Freitag im Herkulessaal zum ersten Mal als eine Art Live-Programmheft ausprobiert. Während des Konzerts wurden dem Hörer erläuternde Texte auf das Smartphone geschickt. Sie erklären, was gerade zu hören ist – in einer diskreten Schrift vor schwarzem Hintergrund, ohne jene Platznachbarn zu stören, die einfach nur zuhören wollen.

Das funktioniert im Prinzip nicht schlecht. Technisch klappte alles, der Daten- und Akkuverbrauch ist ausgesprochen sparsam. Die eingespielten Texte lieferten solide Zusammenhänge zum Hintergrund der Komposition, ihrer Entstehung und der Wiederkehr des Hauptthemas aus dem ersten Satz in der übrigen Symphonie.

Ein Orchester in Bestform

Ein wenig störte die ungelenke Konzertführerprosa mit Sätzen wie „Die Hörner setzen eine lebendige Melodie ein, die ein unbändiges städtisches Leben wiederzugeben scheint“. Es ist auch die Frage, ob es wirklich eine gute Idee ist, die Musik mit Worten zu paraphrasieren und dem Hörer vorzugeben, was er zu erleben habe. Leider war der Text auch ziemlich schräg aus dem Niederländischen übersetzt. Dass eine Melodie „entarten“ würde, mag man 2018 auf deutsch nicht mehr lesen müssen.

Die Münchner Symphoniker wissen vermutlich selbst, dass der Einsatz dieser App bei den vor der Pause gespielten Raritäten von Samuel Coleridge-Taylor, Bernd Alois Zimmermann und Duke Ellington sinnvoller gewesen wäre. Das Orchester präsentierte sich am Freitag bei diesem gut zusammengestellten Programm um das Thema „Amerika“ nicht nur dramaturgisch, sondern auch klanglich in bester Form. Es ist zu spüren, wie intensiv der Chefdirigent Kevin John Edusei mit den Musikern arbeitet und wie sich das früher sehr behäbige Orchester weiterentwickelt und verjüngt hat.

Bei einem der nächsten Konzerte wird Edusei selbst die Texte für „Wolfgang“ verfassen – womöglich mit etwas mehr Mut zur kreativen Assoziation. Denn in konzertbegleitenden Apps steckt das Potenzial, jüngere Besucher anzusprechen und die Schwellenangst bei einer so bildungsgesättigten Angelegenheit wie der klassischen Musik zu vertreiben.

Das Programm „Tiefenrausch“ der Münchner Symphoniker wird am 23. November um 20 Uhr wieder auf der App begeleitet. Infos und Karten unter www.muenchner-symphoniker.de

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