Hoeneß-Biografie: Uli, der Schulsprecher

Ortstermin in Ulm: AZ-Reporter Strasser, Autor der Biografie „Hier ist Hoeneß!“, auf Spurensuche: Wie der Metzgersbub allen davonlief, wie er früh Geld reinholte und wo er seine Susi kennenlernte
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AZ-Redakteur Patrick Strasser hat eine Biographie über Uli Hoeneß geschrieben
Ronald Zimmermann/az 2 AZ-Redakteur Patrick Strasser hat eine Biographie über Uli Hoeneß geschrieben

Ortstermin in Ulm: AZ-Reporter Strasser, Autor der Biografie „Hier ist Hoeneß!“, auf Spurensuche: Wie der Metzgersbub allen davonlief, wie er früh Geld reinholte und wo er seine Susi kennenlernte

Einer seiner besten Fußballkumpel der Kindheit war der etwas jüngere Kurt Stark, der in der Nachbarschaft wohnte. Nach dem Unterricht in der Hans-Multscher-Grundschule treffen sie sich am Bolzplatz zum Kicken, was anderes gibt es kaum. Doch – ab und an wird eine Runde Hockey im Hinterhof des Elternhauses gespielt. Die Kumpel nehmen Äste und bilden daraus Schläger. Am besten aber spielt es sich mit dem Spazierstock von Opa Hoeneß. Wenn der eine Runde durch den Ort drehen will, muss er eben warten. Stark sieht es noch vor sich, wie Uli befiehlt: „Opa, wir spielen jetzt. Du wartest noch.“ Da war Hoeneß zwölf.

Schon früh zeigte sich, wie dominant der kleine Uli sein konnte – der ganzen Familie gegenüber. „Ich weiß noch“, meint Stark, „dass ich einmal ein Trikot gebraucht habe, das ich mir bei Ulis Mutter abholen sollte. Sie hatte es gewaschen. Ich kam an, das Trikot war nicht da, hatte wohl schon ein anderer Junge bekommen. Da hat er sie ziemlich zusammengestaucht.“ Sicherlich nicht ohne Folgen. Was in der elterlichen Dreizimmerwohnung passierte, als Kumpel Kurt nicht mehr dabei war, lässt sich nur erahnen.

Weil er so herausragend gut war, wurde Hoeneß in allen Mannschaften Kapitän. „Weil es keinen besseren Spieler in unserem Bezirk gab“, erinnert sich Stark, „war er der Macher. Schon früh hat er versucht, mit seiner Meinung auf die Trainer Einfluss zu nehmen. Und tatsächlich: Die haben auf ihn gehört.“

Mit 13 Jahren wechselte Hoeneß dann den Verein und ging zum TSG Ulm, dem Stadtrivalen. Kumpel Kurt kickte stets eine Jahrgangsstufe unter ihm, gemeinsam mit Dieter Hoeneß. Das Training und das Konditionsbolzen wurden mit der Zeit immer ernsthafter, zielstrebiger. Papa Erwin, der ja ohnehin wegen seiner Arbeit früh aufstand, musste seinen Sohn Uli jeden Morgen je nach Jahreszeit um fünf oder sechs Uhr wecken. Der tägliche Waldlauf mit ein paar Kumpels stand an. „Die meisten von uns haben dabei nur Blödsinn gemacht, sind über Gartenzäune gesprungen, haben Erdbeeren geklaut“, erzählt Stark, „nur der Uli nicht, der ist weitergerannt, hat sich nicht beirren lassen.“

Früh spürte Hoeneß, dass er auf dem richtigen Weg war in Richtung einer großen Karriere: württembergische Schulauswahl, süddeutsche Schülerauswahl, mit 15 deutsche Jugendnationalmannschaft. Und der Ehrgeiz nahm nie ab. Sein Jugendleiter Roland Schmidle, ein Dachdecker, hielt große Stücke auf ihn: „Mit seinem Ehrgeiz hätte er in jeder anderen Sportart auch etwas erreichen können. Er hat immer Einsatz gezeigt, gerade weil er ja auch ein wenig pummelig war.« Längst hatte er begonnen, an dieser Schwäche zu arbeiten. „Ich war nämlich zu langsam und nicht ausdauernd genug“, sagt Hoeneß im Rückblick. „Mit 18 wurde ich dann in Ulm Winterwaldlaufmeister über 2000 Meter und bin die 100 Meter in elf Sekunden gelaufen. Ich wollte die soziale Leiter hochsteigen. Ich habe im Fußball für mich eine Chance gesehen.“

***

Auch als Verantwortung gefragt war, konnte er kaum einmal Nein sagen. Irgendein Amt musste er immer innehaben, eine innere Stimme drängte ihn wohl dazu. Er war Ministrant, Laienschauspieler, Schulsprecher – und spielte auch auf dem Schubarth-Gymnasium, einer reinen Jungenschule, eine führende Rolle. Kraft-Otto Steinle, über mehrere Jahre Hoeneß’ Klassenlehrer, sieht den jungen Uli noch vor sich, wenn er heute erzählt: „Er war eine Autorität im Klassenzimmer, weil er beides vereinen konnte: sich auf den Fußball konzentrieren und dennoch gut sein in der Schule. Daher habe ich seine Eltern nie kennengelernt, die mussten ja nie in die Sprechstunde kommen. Uli machte keine Sorgen.“

Er war eher der Streberfraktion zuzurechnen, ein „Gscheitle“, wie man in Schwaben sagt, aber ein sympathischer und äußerst selbstbewusster. „Arrogant war er nicht, er wollte nicht unangenehm auffallen“, erinnert sich Steinle, „seine Meinung hat er stets ganz diplomatisch vertreten. Dieses Aufbrausende in Interviews, das als Bayern-Manager ab und an aus ihm herausbricht, war damals nicht zu erkennen.“

Die Mitschüler schauten heimlich zu ihm auf, weil er gut war trotz all der Fehlstunden wegen der ständigen Berufungen in die Jugendnationalmannschaft. Fast zwangsläufig wurde er erst Klassensprecher, dann Schulsprecher. Das war womöglich die beste Entscheidung seines Lebens.

Denn so lernte er seine spätere Frau Susi kennen, die auf einer Mädchen-Realschule war. Die beiden Schulen brachten eine gemeinsame Schülerzeitung heraus und versuchten Anzeigen bei ortsansässigen Geschäften und Betrieben aufzutreiben. Denn die Zeitung war nahezu pleite. „Ein guter Freund von mir war Chefredakteur und hat die Zeitung gemacht, und ich hab das Geld reingeholt. Nachher war sie saniert“, sagt Hoeneß im Rückblick voller Stolz.

Mit seiner Freundin Susi haben sie im Sommer 1969 ein Schulfest auf die Beine gestellt, das manchem älteren Semester auch heute noch ein Begriff ist. Hoeneß hatte von der Bundeswehr ein riesiges Tarnnetz ausgeliehen und über den gesamten mehr als 600 Quadratmeter großen Schulhof gespannt. Hausmeister Michlberger half dabei, die vier bis fünf Meter hohen Masten aufzustellen und das Netz dort zu fixieren. In dem nun plötzlich überdachten Schulhof wurden Biertische aufgestellt. Livebands traten auf, und die Würstl kamen natürlich aus der elterlichen Metzgerei. „Wie Uli überhaupt an das Zelt rangekommen war, konnte sich keiner erklären. Das Fest war legendär, irre“,schwärmt Klassenlehrer Steinle noch heute, „für damalige Verhältnisse wirklich ein Wahnsinn.“

Am 18. November 1973 heiratete Hoeneß dann in Rottach-Egern am Tegernsee die Frau, die mit ihm vier Jahre zuvor das Fest organisiert hatte. Beide waren damals erst 21 Jahre jung.

Patrick Strasser

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