Wilde Landschaft am Achensee, ganz nah
Die Zugspitze kennt jeder, den Wendelstein auch. Bergkundige können im Münchner Alpenpanorama meistens auch noch den viel bestiegenen Guffert benennen. Auffällig wäre auch noch der steile Abbruch der Lamsenspitze am östlichen Ende der Karwendelkette. Dieser Gipfel ist allerdings nur über einen maßvoll anspruchsvollen Klettersteig erreichbar, und einen Helm sollte man wegen der Steinschlaggefahr auf den letzten 200 Metern auch dabei haben.
Links von der Lamsenspitze ist von allen hohen Punkten Münchens auch das 2457 Meter hohe Sonnjoch zu sehen, ein auffälliger Berg mit seinen auch aus der Ferne erkennbaren bogenartigen Schichten aus Wettersteinkalk. Das Sonnjoch fasziniert mich schon seit längerem. Im letzten Winter stand ich im Falzthurntal direkt vor diesem riesigen, 1200 Meter aufragenden Klotz mit seinen abweisenden schroffen Wänden, der das Panorama von Pertisau am Achensee dominiert.

Der Normalweg führt vom Parkplatz an der Gramaialm (1267 m) erst zu deren im Sommer bewirtschafteten Hochleger, zu dem auch von der anderen Seite aus der Eng ein Weg führt. Von dort aus ist das Sonnjoch ein mühsamer Hatsch auf einem teilweise schwer erkennbaren Weg durch viel feinen und rutschigen Schutt auf den Gipfel, der einen großartigen Rundblick auf das Karwendel, das Mangfallgebirge und den Alpenhauptkamm bietet.

Die Überschreitung des Sonnjochs
Sehr viel aufregender ist eine Überschreitung des Bergs über das Hochtal des Bärenlahner. Sie setzt allerdings Schwindelfreiheit und die Bereitschaft zur Überwindung leichter Kletterstellen im 1. Schwierigkeitsgrad (nach UIAA) voraus: Das heißt, dass hin und wieder auch die Hände gefordert werden und aufregende Tiefblicke zu erwarten sind.

Der gut markierte Weg beginnt etwa zwei Kilometer vor der Gramaialm an einer Weggabelung am Ende einer großen Almwiese. Wer dort parken möchte, sollte früh da sein, weil der Platz für höchstens drei Autos reicht. Aber man kann auf der Mautstraße natürlich auch bis zur Alm fahren und spart sich am Nachmittag den Rückweg auf der Straße.

Der gut markierte Weg ist erst einem trockenen Bachbett zum Verwechseln ähnlich. Dann geht es steil erst durch einen lichten Bergwald und später über karge Almwiesen zwischen den gewaltigen Felswänden des Sonnjochs und der Schaufelspitze in etwa zwei Stunden zum Bärenlahnersattel (1994 m). Von dort sieht man hinunter zum Großen Ahornboden und hinüber zum Gamsjoch und den Laliderer Wänden. Auch das Gipfelkreuz des Sonnjochs ist bereits zu sehen. Aber noch eine Menge Schweißtropfen entfernt.

Die Landschaft erinnert wegen der riesigen geschichteten Felsplatten an das Watzmann-Massiv. Der Grat verengt sich zunehmend, und man fragt sich immer mehr, wie der riesige Klotz zwischen der letzten Bergwiese und dem steilen Gipfelaufbau überwunden wird. Im letzten Moment geht es dann ein paar Meter in das Ende eines steilen Kars hinunter und auf der Schattenseite des Felsens sehr unangenehm schottrig wieder hinauf.

Die Tiefblicke in dieser wilden Landschaft sind aufregend, der Weg ist ausgesetzt, aber nicht extrem. Dann geht es auf grasigen Felsbändern immer weiter nach oben. Ein wenig unangenehm fand ich nur die Überschreitung einiger Felsen auf den allerletzten Metern vor dem Gipfel. Da muss man sich den Weg selbst suchen, weil hier die Markierung fehlt, um Neugierige vom Abstieg auf diesem Weg abzuhalten, der wirklich nicht zu empfehlen wäre.
Runter geht es auf dem Normalweg zum Gramai-Hochleger. Es gibt jüngere Menschen, die das Latschenfeld am Fuß des Gipfelaufbaus rennend und hüpfend in einer knappen halben Stunde schaffen. Aber das sollte man nicht als Maßstab nehmen und sich Zeit für die Landschaft nehmen, für die man hinaufgestiegen ist. Mir geht es jedenfalls so, und die Bergraserei mancher Menschen ist mir unheimlich.
Mountainbikes - in Österreich ein umstrittenes Thema
Auf dem rustikalen Hochleger könnte man auch übernachten. Doch ich bin nach einer Jause ins Falzthurntal abgestiegen und habe mich am späten Nachmittag noch auf die Terrasse des Hotels Gramaialm gesetzt. Dort gibt es Soda Zitron, mein Sommerlieblingsgetränk aus Salzburgs Kaffeehäusern, das mittlerweile auch sonst in Pertisau Einzug gehalten hat.

Ein weiteres Ziel in der Achensee-Gegend ist der 1988 Meter hohe Juifen. Auch dieser Berg ist von München aus fast überall gut zu sehen. Im südlichen Landkreis, etwa von der Ludwigshöhe bei Kleindingharting, beherrscht er als pyramidenförmiger Klotz das Panorama des Isartals. Dieser Gipfel gilt allerdings als alpinistisch weniger interessant - wegen langer Hatscher auf Alm- und Forststraßen.

Ich habe mir daher bei einem Sportgeschäft in Achenkirch ein elektrisches Mountainbike ausgeliehen und bin bis 200 Meter unter dem Gipfel hochgefahren. Später hörte ich, dass der von mir benutzte Almweg eigentlich für Räder gesperrt sei. Es handle sich um einen reinen Wanderweg höre ich. Und da dieses Thema in Österreich sehr kontrovers ist, rate ich zur legalen Auffahrt über die Forststraße, die beim (geschlossenen) Hagenwirt im Achenwald beginnt und zur Rotwandlhütte führt. Von dort braucht man dann zu Fuß noch eine Stunde zum Gipfel.
Meine Vorfreude auf ein Nickerchen im Gras wurde allerdings herb enttäuscht: Die letzten Höhenmeter sind verkrautet und im Frühsommer voller Insekten. Die Rundsicht auf die Bayerischen Voralpen, das Karwendel, die Zillertaler Alpen und die Hohen Tauern ist zwar imposant, aber ich bin vor den Mücken rasch geflüchtet. Und so scheint es mir, als wäre der Juifen für eine Skitour im Winter viel besser geeignet.

So gut man beide Gipfel von München aus sieht: Die Stadt und ihr Umland habe ich weder vom Juifen noch vom Sonnjoch aus gesehen. Dafür ist es im Sommer zu dunstig. Aber die Jahreszeit hat ihre Vorteile: Man kann sich im Achensee abkühlen. Das macht alles wett. Wie München aussieht, weiß ich sowieso.
E-Bikes verleiht u.a. Busslehner Sports in Achenkirch. Die Recherche wurde teilweise von Achensee-Tourismus unterstützt
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