Zur Strafverfolgung: Polizei hat Zugriff auf Corona-Gästelisten

Verschiedene Polizeipräsidien in Bayern haben Corona-Gästelisten aus Restaurants für ihre eigenen Ermittlungen genutzt. Wird die Krise dadurch nun verschärft?
von  AZ
Speisekarten, Desinfektionsmittel und eine Ablage für Kontaktdaten stehen vor einem Restaurant. In Letztere hat die Polizei im Zweifelsfall Einsicht.
Speisekarten, Desinfektionsmittel und eine Ablage für Kontaktdaten stehen vor einem Restaurant. In Letztere hat die Polizei im Zweifelsfall Einsicht. © imago images/Ralph Peters

München - Um Infektionsketten besser nachvollzuziehen zu können, müssen Besucher von Restaurants, Wirtschaften und Biergärten auf einer Gästeliste unterschreiben. Neben dem Vor- und Nachnamen ist dabei - je nach Formular - auch die Adresse und/oder Telefonnummer anzugeben.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" nun berichtet, hat die Polizei in mehreren Fällen diese Listen für ihre eigene Ermittlungsarbeit genutzt. Demnach bestätigte unter anderem das Polizeipräsidium Oberbayern Süd, dass die Ermittler anhand der Listen nach Zeugen gesucht haben. Dem Innenministerium zufolge habe die Polizei in einem "hohen einstelligen Fallzahlenbereich" Daten von Gästelisten erhoben und genutzt.

Pflicht in Corona-Zeiten: Die Erfassung der Kontaktdaten beim Besuch von Gastro-Betrieben.
Pflicht in Corona-Zeiten: Die Erfassung der Kontaktdaten beim Besuch von Gastro-Betrieben. © imago/Future Image

Rechtlich ist das Vorgehen der Polizei erlaubt

Kritik an diesem Vorgehen gibt es unter anderem vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. "Das war so nicht gedacht und von der Politik anders kommuniziert", sagte Landesgeschäftsführer Thomas Geppert der "SZ". Auch die wenigsten Restaurantbesucher dürften beim Unterschreiben der Liste wohl geahnt haben, dass ihr Name möglicherweise bei polizeilichen Ermittlungen eine Rolle spielen könnte. Denn von Beginn an war eigentlich klar geregelt, dass die Datenerfassung nur im Rahmen der möglichen Nachverfolgung einer Corona-Infektion erfolge.

Auch Datenschützer sind besorgt. "Das geht in Richtung Vorratsdatenspeicherung", wird der Landesbeauftragte für Datenschutz, Thomas Petri in der "SZ" zitiert. Er fordere eine Einschränkung der Befugnisse von Strafverfolgungsbehörden.

Rechtlich ist das Vorgehen der Polizei allerdings wohl erlaubt – das regelt die Strafprozessordnung entsprechend. Dem Innenministerium zufolge würde das Einsehen von Gästelisten nur bei Ermittlungen wegen schwerer Straftaten erfolgen. So habe die Polizei in einem Fall Gästedaten erhoben, als wegen versuchten Totschlags ermittelt wurde.

Dehoga befürchtet weniger Gastro-Gäste

Die Dehoga befürchtet, dass es sich die potentiellen Gäste nun zweimal überlegen werden, ob sie ins Restaurant oder in den Biergarten gehen. Auf die ohnehin schon kriselnde Gastro-Branche dürften damit weitere Probleme zukommen. Zudem könnte sich die Corona-Krise erneut verschärfen, denn wenn die Gäste - aus Misstrauen oder anderen Gründen - falsche Daten angeben, wird gleichzeitig die korrekte Nachverfolgung von Infektionsketten erheblich erschwert. "Es stellt sich die Frage, wie viele Leute jetzt überhaupt noch wahrheitsgemäße Angaben über ihre Kontaktdaten machen", so Geppert.

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