Wurzelpflege auf dem Maulwurfshügel
FÜRTH - Deichkind in der Fürther Stadthalle: Bizarres Entertainment ohne Überraschungen
Zuspätkommer und Warmtrinker vor der Fürther Stadthalle wurden von zweien der wandelnden Müllsäcke persönlich nach innen gebeten: Deichkind-Shows sind schließlich keine Konzerte im herkömmlichen Sinn, sondern multimediale Spektakel, im Spannungsfeld zwischen Electro-Clubbing, Teletubbies und Theater. Und die vertragen keine Vorbands und beginnen pünktlich. Nach dem Intro zu „Arbeit nervt“ fällt der Vorhang, die wandelnden Müllsäcke setzen sich ihre blinkenden Pyramidenhüte auf und starten ihren bizarren Reigen um den überdimensionierten Plastikmaulwurfshaufen.
Was Eugène Ionesco seine Stühle, ist den Deichkindern ihr Kunststoffhügel. Zentrales Element einer grotesken Inszenierung, Dreh- und Angelpunkt einer Show, die wirkt, als habe man Hieronymus Bosch Ecstasy verabreicht und zum Choreographieren gezwungen.
Neongefiederte Vögel flattern über Miniatur-LKWs, ein Zeremonienmeister mit Voodoo-Schädel stampft im Takt, Hüpfburgen, Deichkinder an Bungee-Seilen – dass der Sound in der Fürther Stadthalle viel zu leise gemischt war und die zweite Tour zur letzten Platte nichts wirklich Neues liefert, ist da belanglos.
Immerhin erstaunten die Hamburger ihr Publikum zum Ende mit einem Medley aus neuen – bislang nur über Myspace veröffentlichten – und alten Songs aus der „Bitte ziehen Sie durch“-Ära, die mittlerweile zehn Jahre auf dem neonpinken Buckel haben und als klassische HipHop-Bouncer wenig mit dem technoiden Deichkind-Stil der letzten beiden Alben zu tun haben. Dem Wahnwitz tat diese Rückkehr zu den Ideen-Wurzeln keinen Abbruch.
Steffen Windschall
- Themen: