Wurst- und Schinken-Sommelier Augustin Keller im AZ-Interview
München - Augustin Keller (39) führt eine Moosburger Metzgerei in vierter Generation und ist seit Kurzem Wurst- und Schinkensommelier.
AZ: Herr Keller, die Sommeliersausbildung für Wurst und Schinken soll Metzger vor allem beim Verkauf unterstützen. Was braucht es für eine gute Wurst?
AUGUSTIN KELLER: Ich brauche ein überragend gutes Stück Tier, sonst kann man aus dem nicht wirklich was machen.
Was denken Sie, wenn Sie im Discounter abgepackte Wurst zu Tiefstpreisen sehen?
Ich weiß nicht, ob ich das ehrlich sagen soll.
Aber selbstverständlich.
Das widerstrebt einem schon. Immer soll es nur billiger werden, man verlangt aber Top-Ware und freilaufende Tiere.
Metzger Keller: "Regionalität ist immer von Vorteil"
Schon mal privat Wurst im Supermarkt gekauft?
Um Gottes willen. Da suche ich mir lieber eine andere Nahrungsgrundlage. Wenn ich Nahrung zu mir nehme, soll sie vernünftig sein.
Worauf achten Sie in Ihrer Metzgerei besonders? Tierwohl? Regionalität?
Beides. Regionalität ist immer von Vorteil, weil das Geld vor Ort bleibt. Wenn das nicht mehr der Fall ist, brechen immer mehr Handwerksbetriebe weg. Und irgendwann kann ich nur noch entscheiden, ob ich zu Discounter A, B oder C gehe. Tierwohl ist immer ein schönes Wort, man muss es aber leben und ausfüllen.
Wie setzen Sie das um?
Wir haben zwei verschiedene Qualitätssiegel namens Staufen- und Stauferico-Fleisch. Beim Stauferico kreuzt man verschiedene Rassen miteinander und diese haben eine dreimal längere Standzeit als konventionelle Schweine. Unsere Bauern bauen zudem immer mehr Stallungen zu Freilandställen um. Einmal im Jahr machen wir eine Besichtigungsfahrt.
Metzger Keller erklärt Food Pairing
Und wie weit sind die Wege?
Die Transportwege liegen bei maximal zwei Stunden.
Was haben Sie im Wurstsommelier-Kurs gelernt?
Zum einen Kulturgeschichte: Seit wann gibt es Wurst und Schinken? Wo war der Ursprung und wie hat sich das bis heute entwickelt? Dann lernt man etwas über Produkte weltweit, Gewürzkunde und sogenanntes Food-Pairing.
Food-Pairing?
Welches Brot wozu passt, wie ich welches Gewürz kombiniere und welche Wein- und Bierempfehlungen ich aussprechen kann.
Was ist eine Gewinnerkombi?
Rohschinken mit Bauernbrot und Bier geht immer. Es gab aber auch spannendere Kombinationen, etwa Kalbsleberwurst mit Schoko und Chili oder Filet und Erdbeeren. Das muss man sich nur mal trauen.
Trauen Sie sich das künftig in Ihrer Metzgerei?
Wir werden auf jeden Fall experimentieren.
Wie lief die Sommelier-Prüfung ab?
Es gab eine schriftliche Prüfung über anderthalb Stunden. Wir hatten zwei Din-A4-Ordner Lernstoff, schon recht umfangreich. Und dann noch eine praktische. Da ist uns ein Produkt zugelost worden, und wir mussten erklären, wie man es kombinieren kann und welche Gewürze drin sind. Dazu mussten wir noch eine Art Verkaufsgespräch führen.
Metzger Keller: "Es gibt nicht jeden Tag Fleisch bei mir"
Sie haben in den 14 Tagen, die der Kurs dauerte, reichlich Wurst getestet. Gibt es dazwischen dann immer ein Löffelchen Sorbet zum neutralisieren?
Wir haben immer Brot und Wasser zum neutralisieren gehabt. Aber man kann das nicht den ganzen Tag machen. Irgendwann braucht man was anderes.
Können Sie überhaupt noch Wurst und Schinken essen?
Auf alle Fälle. Es ist ja ein hochwertiges Lebensmittel. Hundert Gramm von einer guten Salami haben dreimal mehr Vitamin C als hundert Gramm Apfel.
Tatsächlich? Dabei heißt es doch immer, wir essen alle zu viel Wurst und das sei ungesund. Sind Wurst und Schinken nun gesund oder ungesund?
Wenn ich am Tag fünf Kilo von einer Sorte esse, ist es eher ungesund. Die Kombination macht es für uns wertvoll, bei einem hochwertigen Essen aus Fleisch, Gemüse und Salat, mit ungesättigten Fettsäuren, mit Vitaminen, die Fette aufspalten. Und wenn man die gut einhält, ist das ein absolut gesundes Lebensmittel.
Ihr Wurst-Favorit?
Ich liebe bayerische Brotzeit, deswegen ist mir am liebsten ein schönes Hausgeräuchertes oder Rohschinken mit Brot.
Gibt es bei Ihnen jeden Tag Wurst?
Ja, natürlich. Aber vor allem unter dem Aspekt der Qualitätssicherung. Es liegt ja in unserer Verantwortung, das täglich zu prüfen.
Und ihr liebstes vegetarisches Gericht?
Ich esse auch gerne Spaghetti mit Tomatensoße oder eine schöne Ofenkartoffel mit Kräuterquark. Es gibt nicht jeden Tag Fleisch bei mir. Einmal pro Woche gibt es auch Fisch oder eine Mehlspeise. So hab ich das gelernt, und so gebe ich das auch weiter.
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