Wortakrobaten aus dem Reihenhaus

ERLANGEN - HipHop aus München im Erlanger E-Werk: Die Band „Blumentopf“ lud zum Mitgrölen ein
In Erlangen hat der „T.O.P.F.“ mal wieder seinen Deckel gefunden. Im Berliner Kiez mit seinem harten Ghetto-Sound von Sido & Co. hätten die Münchner Musterknaben vermutlich einen schweren Stand. Im fränkischen Universitätsstädtchen wird die rappende Spaß-Guerilla um Specht, Cajus, Holunder, Kung Schu und DJ Sepalot von der Masse nach wie vor gefeiert.
Denn hier funktioniert das Image der reimenden Musterknaben immer noch bestens. Egal, ob bei „SoLaLa“ oder „Fenster zum Berg“, jede Strophe und Zeile der Songs aus dem neuen Album „Wir“ beherrscht das Publikum. Der Saal schwitzt, der Mitgröl-Faktor ist beständig hoch – auch wenn der einst so eingängige Blumentopf-Sound mittlerweile experimenteller geworden ist, was besonders bei der Zugabe „Systemfuck“ deutlich wird. Die Masse im E-Werk stört der Ausritt in Crossover-Gefilde aber nicht im Geringsten. Und als es zwischendurch sogar auf die berühmte „Party-Safari“ geht, wird klar, warum das Quintett vom Fachblatt „Juice“ einst zur besten Liveband gekürt wurde.
Fakt ist: Blumentopf sind zum Glück die „Jungs aus dem Reihenhaus“ geblieben, die 1996 die Fallhöhe im deutschen Sprechgesang bei „6 Meter 90“ anlegten und dabei stets auf das branchenübliche Ghetto-Gehabe verzichteten.
Wobei: Ganz ohne Frotzeleien kommt selbst Deutschlands wohlerzogenste Hip-Hop-Combo nicht aus. Aber während Rapper sonst so gerne wüste Beschimpfungen von der Bühne in die Menge feuern – und dafür auch noch gefeiert werden – beschränken sich die fünf Wortakrobaten bei ihrem Erlanger Gastspiel auf ein kleinlautes „Euer Bier schmeckt einfach nicht!" Wenn's weiter nichts ist…
Krischan Kaufmann