Wohnen für 88 Cent - Jakob Fuggers Erbe lebt weiter

Vor 500 Jahren starb Jakob Fugger. Sein Wohnprojekt in Augsburg bietet Bedürftigen bis heute ein Zuhause für einen symbolischen Preis – und ist in dieser Form weiter einzigartig.
von  Ulf Vogler, dpa
Auch das berühmte Marionettentheater Augsburger Puppenkiste hat Jakob Fugger als Darsteller am Faden im Repertoire. (Archivbild)
Auch das berühmte Marionettentheater Augsburger Puppenkiste hat Jakob Fugger als Darsteller am Faden im Repertoire. (Archivbild) © Stefan Puchner/dpa

Vor 500 Jahren starb in Augsburg ein Mann im Alter von 66 Jahren, der die Geschichte seiner Zeit beherrscht hat wie kaum ein anderer. "Jakob Fugger gilt als der bedeutendste Vertreter des Frühkapitalismus nördlich der Alpen", beschreibt das Haus der bayerischen Geschichte den legendären Augsburger Kaufmann. Hinterlassen hat Fugger damals ein soziales Projekt, das auch nach einem halben Jahrtausend noch einmalig ist. In der Fuggerei können Menschen nach wie vor für eine jährliche Kaltmiete von nicht einmal einem Euro leben.

Einige Aspekte über den mächtigen Kaufmann und sein ungewöhnliches Vermächtnis:

Wer war Jakob Fugger?

Er sei eine der "reichsten, mächtigsten, meist bewunderten, aber auch meist gehassten Persönlichkeiten seiner Zeit" gewesen, meint die Autorin Karin Schneider-Ferber, die aus Anlass des 500. Todestages am 30. Dezember eine neue Biografie über Jakob Fugger verfasst hat. "Jakob der Reiche" galt als Finanzgenie und wurde zu einem der einflussreichsten Männer Europas.

Mit gerade einmal 14 Jahren ging er nach Venedig zur Ausbildung. Nach seiner Rückkehr nach Augsburg machte er mit seinen Brüdern die schwäbische Kaufmannsfamilie zu einem für damalige Verhältnisse gigantischen Konzern. Die Fugger wurden durch Textil- und Silberhandel groß, sie wurden die Bankiers der Fürstenfamilie Habsburg und des Heiligen Stuhls in Rom. Niederlassungen gab es quer durch Europa von Spanien bis Russland.

Als der Papst 1506 mit Söldnern aus der Schweiz eine Leibgarde gründete, kam das Geld für den Lohn der Soldaten aus Augsburg. Die Schweizergarde mit den bunten Uniformen gibt es bis heute als Sicherheitsdienst im Vatikan. Der Papst dankte es den Fuggern, indem er ihnen die römische Münzprägestätte übergab. Vier Jahre vor seinem Tod verfügte Jakob auch im Namen seiner Familie mehrere Stiftungen - darunter die berühmte Fuggerei.

Was ist die Fuggerei in Augsburg?

Diese ist als Armensiedlung gebaut worden, wobei Jakob Fugger keine Unterkünfte für Bettler errichten wollte. Als Zielgruppe habe er ehrbare und fromme Bürger betrachtet, erläutert Schneider-Ferber. Handwerker, Kleingewerbetreibende, Tagelöhner, Witwen, Senioren und kranke Menschen kamen als Bewohner infrage. Der Stifter habe der mittellosen Schicht der Arbeitswilligen, die stets vom sozialen Absturz bedroht gewesen seien, ein Heim bieten wollen. 

Die Siedlung ließ Fugger mit einer besonderen Effizienz errichten: Es gab einen Typ Gebäude mit gleichbleibendem Grundriss, normierten Fenstern und Türen. Drei Zimmer und eine Küche auf 60 Quadratmetern - fertig war die Wohnung. In den kleinen Gärten konnten die Bewohner Gemüse anbauen oder Tiere halten. Eine Mauer rundum machte die Siedlung quasi zu einem eigenen Dorf in der Stadt. "Mit diesem Konzept folgte Jakob Fugger neuen Ansätzen in der Armenfürsorge", sagt die Biografin.

Als Miete legte Fugger einen Rheinischen Gulden pro Jahr fest, daraus wurde die jetzt gültige symbolische Miete von 88 Cent. Außerdem müssen sich die Bewohner zu drei Gebeten am Tag verpflichten. Heute lebten rund 150 bedürftige Augsburger in den 67 Häusern mit 142 Wohnungen, berichtet die Fürstlich und Gräflich Fuggersche Stiftungs-Administration.

Gibt es in anderen Städten ähnliche Projekte?

In dieser Dimension eher nicht. Heute versuchen viele Gemeinden, durch Projekte günstigen Wohnraum anzubieten. In der bayerischen Landeshauptstadt, traditionell eine der teuersten Städte Deutschlands, ist es etwa das "München Modell". Hier gehe darum, Menschen mit mittleren Einkommen und Familien mit Kindern Wohnungen zu tragbaren Mieten anzubieten, erläutert die Stadt. Wer eine der Wohnungen ergattern kann, wird mit einer Bleibe ab etwa zwölf Euro Monatsmiete pro Quadratmeter belohnt - günstig für München, teuer im Vergleich zur Fuggerei.

In Zürich bietet die Stiftung Einfach Wohnen seit elf Jahren preiswerte Immobilien an. In den Richtlinien heißt es, dass die Mieter und Mieterinnen "Personen mit kleinen und mittleren Einkommen und Vermögen" sein sollen. "Es ist zudem auf ein angemessenes Verhältnis zwischen ihren wirtschaftlichen Verhältnissen und dem Mietzins zu achten." Interessenten, die sonst auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt seien, würden bevorzugt. Doch die städtische Stiftung dämpft die Hoffnungen auf eine der 272 Wohnungen in der Schweizer Metropole: "Es werden selten Wohnungen frei."

Die Fuggerschen Stiftungen hatten zum 500. Jubiläum der Fuggerei 2021 die "Fuggereien der Zukunft" gesucht. Dabei wurden Projekte aus Sierra Leone und Litauen vorgestellt. "Beide Vorhaben beruhen auf eigenständigen Initiativen – das Projekt in Sierra Leone hat sich unabhängig weiterentwickelt, in Litauen konnten die ursprünglichen Pläne bislang nicht umgesetzt werden", berichtet Sophie Dost, Sprecherin der Stiftungen.

In dem Fischerdorf Rothumba im westafrikanischen Sierra Leone wurde zunächst mit dem Bau einer Schule begonnen. Es soll letztlich eine nachhaltige, soziale Siedlung entstehen. Ein gemeinnütziger Verein aus Frankfurt/Main unterstützt das Vorhaben.

Wie wird zum 500. Todestag an Jakob Fugger erinnert?

Es gibt eine Reihe von Veranstaltungen aus Anlass des Gedenkjahres. In der Fuggerei ist eine Sonderausstellung unter dem Titel "Kult und Kommerz. Jakob Fugger im kollektiven Gedächtnis" zu sehen. Im Schaezlerpalais in Augsburg wird zudem Kunst aus der Epoche der Fugger präsentiert. Das Augsburger Staatstheater zeigt noch bis März 2026 in seiner Theaterkrimi-Reihe "Tatort Augsburg" eine Episode, in der es um einen Giftanschlag auf Jakob Fugger geht.

Am kommenden Dienstag, dem 500. Todestag, will der Augsburger Bischof Bertram Meier in der Kirche St. Anna eine Gedenkmesse zelebrieren. Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) lädt anschließend zu einem Staatsempfang ein.

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