Wo man sich Illusionen hingibt

Nicht von Pappe: Die Foto-„Kulissen“ von Hans Grasser in der Galerie Bernsteinzimmer.
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Täuschung auf den zweiten Blick: Ein Pappmodell des Nassauer Hau- ses hat Hans Grasser in die Foto-„Wirklichkeit“ hinein geschnitten.
Galerie Täuschung auf den zweiten Blick: Ein Pappmodell des Nassauer Hau- ses hat Hans Grasser in die Foto-„Wirklichkeit“ hinein geschnitten.

Nürnberg - Nicht von Pappe: Die Foto-„Kulissen“ von Hans Grasser in der Galerie Bernsteinzimmer.

Das Täuschungsmanöver ist nicht von Pappe. Oder doch? Irgendwas stimmt nicht an diesen Sehenswürdigkeiten, die dem Archivierungsdrang der Touristenknipserei rückhaltlos entgegenzukommen scheinen. Der Fotograf und AZ-Stern des Jahres Hans Grasser, der sich schon bei seinen Serien über CD-Covers und „Nürnberg brutal“ keinerlei Illusionen hingegeben hat, nennt seine aktuelle Ausstellung in der Galerie Bernsteinzimmer „Kulissen“. Ein Blick in die Galerie-Fenster hilft: Da stehen Modelle von Dürer-Haus, Arc de Triomphe und Stephansdom.

Die „Lady Liberty“ der Freiheitsstatue trägt einen merkwürdigen Mundschutz, die Pferde auf dem Brandenburger Tor sind zur Flachware degradiert und die Kandelaber an der Fassade der Dresdner Semperoper zeigen alle Anzeichen eines Bastelbogens. Auf den ersten Blick zu enttarnen ist Grassers Kulissenschiebung dennoch nicht, weil er die Besucher vom Originalfoto die Stufen hinauf in die montierte Papp-Oper steigen lässt. Auch beim Nassauer Haus meint man eher, da hätte jemand am Computer mit dem Photoshop gepfuscht. Nur bei Notre Dame wird der Schwindel dreist: Weil das Bonsai-Modell aufgeblasen zum Kirchendom seine ganze, gemalte Nachbildung preisgibt.

Es geht Grasser, Potemkins listigem Bruder, um die Verwahrlosung in der Wahrnehmung und liebevoll gepflegte „Fremdkörper“ im modernen Großstadtbild, von denen sich der ungenaue Blick mühelos austricksen lässt. Wie bei Andreas Gursky schafft Grasser an den Schnittkanten zwischen Wirklichkeit und Pappe Irritationen: „In meinen Montagen jedenfalls legt sich das schnöde Papiermodell ,schützend’ über das geschundene Original und nimmt alls seine Schuld und Funktion auf sich“, sagt er. Dieses täuschende Schillern will er nun mit so genannten Wackelbildern betonen. Andreas Radlmaier

Galerie Bernsteinzimmer (Großweidenmühlstr. 11): bis 7. Juni, Sa/So 15-19 Uhr

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