Wo die Formen zu tanzen beginnen
Nürnberg - Fürth entdeckt mit dem Maler Julius Graumann einen verlorenen Sohn und mit dem Nürnberger Adolf Kertz eine kurze Malepoche
Das Beste gibt’s in der Ausstellung „Julius Graumann und Adolf Kertz. Vom Salon zur Abstraktion“ in der kunst galerie fürth zum Anfang: 1,92 mal 2,20 Meter misst Graumanns Gemälde „Heimkehr“. 1911 vollendet, zeigt es eine Bauernfamilie. Ein friedvolles Bild, das die Verbundenheit der Bauern mit der Landschaft widerspiegelt: Die hellen Rosa-, Grün- und Blautöne der Kleidung sowie ihre Textur finden sich auch im Hintergrund wieder.
Graumann hat den Wert seines Bildes schnell erkannt und wollte es nicht verkaufen. Deshalb fertigte er als Zweitfassung eine Radierung, die neben dem Gemälde hängt. Er wusste, wie der Kunstmarkt tickt und malte immer wieder Motive wie religiöse Szenen, die sich gut zu Geld machen ließen.
Da war der zwei Jahre jüngere Nürnberger Julius Kertz ein anderes Kaliber, der vor allem private Szenen malte. Mit 14 wurde er Schüler von Adolf Hölzel in Dachau, wo sich die beiden Maler vermutlich 1902 zum ersten Mal begegneten. 1907 gründeten sie in München gemeinsam die „Schule für Malerei und Ornamentik“.
Wie nah sie sich künstlerisch in dieser Zeit waren, machen zwei Bauernporträts deutlich, die Kertz 1912 malte. Da waren sie stilistisch längst in Bewegung geraten, hatten sich wegbewegt von ihren akademisch-realistischen Anfängen, probierten sich an Landschaften wie von Cézanne und an Porträts, die an Wilhelm Leibl erinnern.
Bis vor kurzem war Graumann vollkommen vergessen. Erst bei den Recherchen zu seinem Großonkel stieß Peter Kertz auf den jüdischen Maler. Viele von Graumanns Werken sind verschollen, andere im Privatbesitz verstreut. Die Fürther Ausstellung kommt einer Wiederentdeckung gleich. Denn die Qualität etlicher - nicht aller - Bilder ist beachtlich, seine Entwicklung vom Salonmaler zu einem Künstler, bei dem die Formen zu tanzen beginne, prototypisch für die Zeit.
Prototypisch für die Zeit war auch das Sterben der beiden Künstler. Kertz fiel im ersten Weltkrieg. Graumann konnte 1933 vor den Nazis, fliehen und sich in Paris neu etablieren, wurde aber von den deutschen Besatzern verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort 1944 ermordet.
Georg Kasch
kunst galerie fürth (Königsplatz 1): Bis 10. August, Di-Sa 13-18 Uhr, So11-17 Uhr
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