„Wir haben doch keine Pferde im Stall“
NÜRNBERG - Der Sänger und Gitarrist von The BossHoss über Country-Feeling, Rebellion und Radio-Ärger
Sänger und Gitarrist Hoss Power alias Sascha Vollmer hat gerade im Hotel eingecheckt und frisch geduscht. Jetzt hat die Band langsam Hunger – Alltag bei The BossHoss, den Berliner Arbeitstieren des Country-Rock'n'Roll. Heute Abend (20 Uhr) spielen sie in der Fürther Stadthalle- mit Nürnbergs Neocountry-Band Smokestack Lightning im Vorprogramm.
AZ: Wie lebt man als Cowboy in Berlin?
SASCHA VOLLMER: Ganz normal - als Großstadtcowboy. Wir sind ja nicht die Hufeisenwerfer oder Stallburschen. Wir haben keine Pferde im Stall, eher ein Motorrad.
Gibt es deutsche Städte, die mehr Country-Potenzial haben als andere?
Je größer die Stadt, desto mehr Country-Haudegen gibt es. Aber zu 90 Prozent spielen wir bei unseren Konzerten vor gemischtem Publikum. Vom Popper bis zum Rocker.
Aber das Country-Feeling steht im Mittelpunkt?
Da ist Country-Feeling ganz dick mit drin. Aber der Oberbegriff ist Rock'n'Roll. Da sind auch Punk-Rock und Sixties-Elemente mit drin. Es ist kein puristischer Country, wie man ihn von Truck Stop kennt.
Wenn das Gespräch auf Truck Stop kommt, sagt ihr: Lass mal stecken?
Es gibt super kleinere und unbekanntere Country-Bands. Truck Stop, Tom Astor und Gunter Gabriel sind die Urgesteine und gehen schon eher in die Schlagerecke. Mit Country, finden wir, hat das auch nicht so viel zu tun.
Internationale Vorbilder?
Als wir angefangen haben, hatten wir den Schrank nicht voller Country-Scheiben. Wir haben Country so gemacht, wie wir ihn hören wollten. Ich war 15 Jahre in einer Rockabilly-Rock'n'Roll-Band unterwegs. Aber Boss kommt eher aus dem Hardrock-, Metal-Bereich.
Es gibt in Amerika ja zwei Traditionslinien: den konservativen Redneck-Country und die Rebellenfraktion.
Genau. In Deutschland war das total vergessen. Als Cashs Frau starb, gab es dieses Hurt-Video. Das war auf einmal MTV tauglich. Dann kam sein Tod, der Cash-Film, „Brokeback Mountain", BossHoss und Texas Lightning – da war eine kleine Welle erkennbar.
Hat Countrymusik überhaupt Rebellionspotenzial?
Er wird im Mutterland auch ein bisschen verhunzt. Wenn du einen Amerikaner fragst, was geile Countrymusik ist, sagt der Shania Twain oder Garth Brooks. Aber ein Typ wie Hank Williams III., der Neffe von Hank, macht rebellischen Rock'n'Roll-Country.
Country-Hard-Rock-Crossover ist doch recht selten.
Er passt halt nicht ins Format von Radiosendern. Wir haben bis zum Erbrechen gehört: Jungs, ist ja ganz witzig und „Hey Ya!" kann man ja auch mal spielen, aber im Grunde passen wir nicht zwischen Madonna und DJ Ötzi.
Fühlt ihr Euch da stiefmütterlich behandelt?
Wir haben uns schon mehr darüber geärgert. Wir verdoppeln uns etwa in jedem Jahr und haben mehr Leute in unseren Konzerten, als andere Künstler, die im Radio rauf und runter laufen. Wir machen halt die Ochsentour und spielen bis zu 160 mal im Jahr.
Entstand so auch die Entscheidung, ein Live-Album zu machen?
Klar. Die Plattenverkäufe gehen nicht nur bei anderen zurück, sondern auch bei uns. Aber was zumindest bei uns nicht rückläufig ist, ist das Live-Geschäft.
Interview: Christian Jooß
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