Wie Stimmen-Profiler dem Täter auf die Spur kommen

Alter, Wohnorte, Medikamenteneinnahme oder Zahnlücke – die Experten finden heraus, was der Anrufer eigentlich verbergen will
von  Andrea Uhrig
Sprachprofiler Prof. Hermann Künzel von der Uni Marburg.
Sprachprofiler Prof. Hermann Künzel von der Uni Marburg. © AZ-Archiv

 

NÜRNBERG Zwei Bilder von einer Videoüberwachungsanlage und ein anonymer 15-Sekunden-Anruf: drei wichtige Spuren für die Ermittler der Soko Frieda. Zwar ist unklar, ob die beiden Männer auf den Fotos und der Mann, der das Verbrechen am Ostersamstag im Lotto-Laden meldete, überhaupt was mit der Tat zu tun haben – doch sie werden dringend als Zeugen gesucht. So genannte Sprecher-Erkenner helfen den Fahndern dabei.

Die AZ sprach mit Phonetik-Professor Hermann Künzel, der schon bei mehreren internationalen Mord- und Entführungsfällen mithalf, Täter zu fassen. Sein geschultes Ohr und sein großes Wissen über Sprache sind seine wichtigsten Arbeitsmittel. Denn Stimme, Sprache und Sprechweise verraten viel über den Menschen. „Das verwendete Vokabular weist auf Zugehörigkeit zu einer sozialen oder beruflichen Gruppe hin“, erklärt Künzel. Anhand von Atmung und anderen Geräuschen beim Reden kann ein Sprachprofiler sogar heraushören, ob der Anrufer eine Zahnprothese trägt, eine Zahnlücke hat, bestimmte Medikamente schluckt oder unter Heuschnupfen leidet.

Datenbank mit 40 Sprachen von Armenisch bis Zulu

Ganz wichtig ist die Zuordnung der Herkunft: „Bei guter Materiallage besteht die Möglichkeit, mehrere dialektale Merkmalskomplexe und damit längere Aufenthalte in verschiedenen regionalen Räumen nachzuweisen“, so Künzel. Er entwickelte eine Datenbank mit deutschen Dialekten: Gibt ein Profiler Lautschriftsymbole in eine Suchmaske ein, erhält er eine Karte, in der farblich gekennzeichnet ist, wo so gesprochen wird. Für Ausländer gibt es eine Datenbank mit 40 Sprachen von Armenisch bis Zulu: „Ein Muttersprachler spricht dafür einen Standardtext in einer betreffenden Sprache und danach auf Deutsch.“

Selbst das Alter lässt sich manchmal auf fünf Jahre genau bestimmen. Aber: „Zigarettenrauchen lässt die Stimme um sechs Jahre älter erscheinen.“ Stimmprofis können in bestimmten Fällen durch Hintergrundgeräusche herausfinden, von wo angerufen wurde. Beim Lotto-Mord kein Problem: Der Unbekannte, bei dem es sich um einen tschechischen Muttersprachler handelt, wählte den Notruf von einer Telefonzelle am Weißen Turm. Die Nummer wird in der Einsatzzentrale angezeigt.

 

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