Wie ein Schokohase auf der Heizung

Pünktlich zum Erlanger Poetenfest erscheint am 27. August Dirk Kruses Krimi „Requiem“ – Frank Beauforts zweiter Fall.
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Viel Platz für die zweite Leiche: die Zeppelinfeld-Tribüne auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände.
dpa Viel Platz für die zweite Leiche: die Zeppelinfeld-Tribüne auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände.

NÜRNBERG - Pünktlich zum Erlanger Poetenfest erscheint am 27. August Dirk Kruses Krimi „Requiem“ – Frank Beauforts zweiter Fall.

Wenn Dirk Kruse beim Erlanger Poetenfest (30. August, 19 Uhr im Schloss) mit Elmar Tannert und anderen über „Krimis aus der Heimat“ diskutiert, dann hat er seinen neuesten Streich im Gepäck: Morgen erscheint „Requiem“ (ars vivendi, 336 Seiten, 15,95 Euro), nach „Tod im Augustinerhof“ der zweite Fall des Gentleman-Ermittlers Frank Beaufort. Gleich mehrere blutig zugerichtete Neonazi-Leichen werden auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände entdeckt. Und während die Morde in der Bevölkerung klammheimliche Zustimmung finden, tappen Polizei wie auch Beaufort und seine ehrgeizige Freundin Anne Kamlin vom Bayerischen Rundfunk bei dieser „geschmacklosesten Nazi-Operette“ im Dunkeln.

Zeit genug für Kruse, um Beaufort und den geduldigen Leser in Touristenführer-Prosa über Nürnbergs NS-Vergangenheit zu informieren. Daneben lässt er seinen Helden mit Bildung und erotischer Potenz hubern (zweifelhafter Höhepunkt des ständigen Gefummels: Anne Kamlin garniert ihren nackten Körper mit Schokolade und Früchten).

In fünfzehn Kapiteln und vierzehn Tagen folgt Kruse der Struktur der lateinischen Totenmesse in Verdis wirkungsvoller Vertonung. Musik als Leitmotiv bis zur letzten Seite aber bleibt Behauptung, weil Kruse eine trotz gelegentlicher Fremdwörter leserliche, aber unmusikalische Sprache wählt. Wenn er statt überkorrekter Beschreibungen vom Charme einer Gebrauchsanweisung mal ein Bild findet, liest es sich unfreiwillig komisch: „Auch ihre Hoffnung schmolz dahin, wie ein Schokohase auf der heißen Heizung.“

Trotz hölzerner Dialoge (weil Kruse so viele Informationen unterbringt wie möglich), Unwahrscheinlichkeiten im Dutzend (die Leichen fallen Beaufort praktisch vor die Füße) und informationsanhäufendem Leerlauf gehört Kruses zweiter Wurf nicht zu den schlechtesten Franken-Krimis. Auf vermintem Gelände wagt er sich ans NPD-Verbot, diskutiert Antisemitismus und knüpft ab dem fünften Kapitel erfolgreich am Spannungsbogen. Zwischen Club und Oper, Symphonikern und Amtsgericht streut er reichlich Nürnberg-Details. Keine große Literatur, aber leidliche Unterhaltung für Franken-Fans. 100 Seiten weniger hätten es allerdings auch getan.Georg Kasch

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