Wie die Zwieselalm von Behördenauflagen zerstört wird

Seit 100 Jahren ist sie in Familienbesitz, bald könnte hier jedoch gezwungenermaßen Ruhe einkehren - wegen Behördenauflagen. Von Abwasser, das ins Tal geflogen wird und Risikoanalysen einer Quelle.
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Natascha Probst
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Andi Potschacher mit Frau und Tochter vor der Alm der Familie.
Andi Potschacher mit Frau und Tochter vor der Alm der Familie. © Potschacher

Die Zwieselalm oberhalb von Bad Reichenhall ist eine der letzten bewirteten Almen in der Region, die sich im Privatbesitz befindet und keine Zufahrt hat. Seit 100 Jahren gehört sie Andi Potschachers Familie, sein Großvater hatte früher noch den ganzen Sommer über Urlaub bekommen, um die Alm zu bewirtschaften. Potschacher kümmert sich heute nebenberuflich um die Wirtschaft, und das mit Leidenschaft – das merkt man schnell, wenn man ihn über seine Alm sprechen hört. Ob er sich vorstellen kann, den Familienbetrieb aufzugeben? "Überhaupts ned", sagt er. Doch am Ende wird ihm vielleicht nichts anderes übrigbleiben.

Denn der familiengeführte Betrieb (mit sechs Familienmitgliedern und zwei Angestellten) erstickt nahezu in Behördenauflagen. Seit 2024 muss das gesamte Abwasser der Hütte per Helikopter ins Tal geflogen werden. Die Alternative wäre der Bau einer Kleinkläranlage, doch diese sei mit Kosten im sechsstelligen Bereich für den Betrieb nicht erschwinglich, sagt Potschacher. Zudem würde sie aufgrund von Wasserknappheit oben auf der Alm wohl gar nicht funktionieren.

6000 Euro für den Abtransport von Abwasser

Und so wird das Abwasser nun in einer Grube gesammelt, sobald eine Lampe aufleuchtet in einen flugfähigen Container umgepumpt und mit dem Hubschrauber ins Tal geflogen. "Außer mir mag das keiner machen", sagt Potschacher. 6000 Euro habe der Abtransport des Abwassers im vergangenen Jahr gekostet, viermal musste geflogen werden. In diesem Jahr hofft er, zwei Flüge zu sparen, denn die Alm hat nun nur noch am Wochenende geöffnet.

Die Alm ist nun nur noch am Wochenende geöffnet.
Die Alm ist nun nur noch am Wochenende geöffnet. © Potschacher

Potschacher und seine Frau gehen arbeiten – und finanzieren mittlerweile über ihr Gehalt den Betrieb. Denn während die Auflagen steigen (von Bierkästen, die in abschließbaren Stahlschränken gelagert werden müssen, über Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Gefährdungsbeurteilungen), sinken die Einnahmen. Seit Corona kämen zwar mehr Menschen auf den Berg, würden aber weniger konsumieren.

Bundesumweltamt fordert Risikoanalyse

Manche kaufen sich zu sechst gerade mal zwei Bier, sagt Potschacher. Und das, obwohl die Preise alles andere als ausufernd sind, dafür, dass alles mit dem Hubschrauber oder zu Fuß auf den Berg transportiert werden muss: 4,90 Euro die Halbe, 5,20 Euro das Weißbier, zwölf Euro die Brotzeit.

Zuletzt forderte das Bundesumweltamt eine Risikoanalyse zum Quelleneinzugsgebiet wegen möglicher chemischer Schadstoffe im Wasser, das regelmäßig geprüft und UV-bestrahlt wird. "Mitten im Gebirge, unter einem Gipfel, ohne Industrie und Straßen drumherum." Für Potschacher fühlt sich das Ganze wie Schikane an – das sei einfach Behördenwillkür.

Durch die neuen Öffnungszeiten versucht die Familie, ihre Ausgaben und Einnahmen wieder in Einklang zu bringen. Es sei "ein letzter Versuch", damit die Zwieselalm nicht endgültig schließen muss. "Denn auch wenn alles schwer ist, unser Herz hängt an der Alm."

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  • Ironie am 10.07.2025 13:18 Uhr / Bewertung:

    Wenn es so ist, wie der Hüttenwirt schreibt, dann ist da m.E. sehr viel Behördenwillkür im Spiel. Mittlerweile habe ich erst gelesen, dass selbst der Alpenverein Hütten einfach schließt. Will man mit all diesen Maßnahmen verhindern, dass die "Turnschuhtouristen", immer mehr werden und sich die Bergwachts- und Rettungsdiensteinsätze enorm häufen? Momentan sind mal wieder extrem viele Rettungseinsätze an der Tagesordnung! Aber da sollten sich die Behörden an den Almbesitzern abarbeiten, die aus ihren Betrieben still und leise Partytempel machen. Die haben meist gut funktionierende Anwälte, die eingeleitete Verfahren zerlegen und extrem in die Länge ziehen können...

  • Wendeltreppe am 10.07.2025 13:09 Uhr / Bewertung:

    Wenn man sich das "so alles" mal so auf der Zunge zergehen lässt, Sankt Bürokratius ist dort mit Verlaub kein gern gesehener Gast. Die Wirts`leut können einem wirklich leid tun, wundern werden sich eh nur noch die wenigsten.

  • loeweauch77 am 10.07.2025 12:26 Uhr / Bewertung:

    Auflagen nehmen der Gesellschaft echt alles weg und zerstören Kulturgut. Eine Alm ist doch ein völlig eigenes Gebiet. Nicht zu vergleichen mit einer Stadt. Nich nicht einmal mit einer Kleinstadt. Ja, man muss sie schützen. Aber wohl kaum durch Auflagen denen Sinnvolligkeit gar nicht belegt ist. Man sollte sichalnüberlegen wie die Menschen dort früher gelebt haben...Meiner Ansicht nach greift man hier zu krass in die Natur ein. Meine Nachbarin hatte bis 1985 ein Plumpsklo. Und jetzt? Das würde tief, sehr tief gegraben und Regelmäßig mit Erde zugeschüttet. Dann, einige Zeit später wieder ausgegraben. Und Blumen, Acker damit gedüngt bzw. die Erde wurde verwendet. Auch wir haben da drüben einige Eimer abgeholt. Kommt mal im 21. Jahrhundert an, um zu verstehen wie man auf einer Alm lebt und wirtschaftet
    ...und lasst den Leute da oben ihr Leben...

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