Wer hat’s erfunden?

Streicheleinheiten fürs Selbstwertgefühl: Matthias Henkel bündelt in der übersichtlichen Ausstellung „nuernbergerwitz.eu“ im Fembohaus „Meisterwerk & Massenware“.
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Berny Meyer Illustration

NÜRNBERG - Streicheleinheiten fürs Selbstwertgefühl: Matthias Henkel bündelt in der übersichtlichen Ausstellung „nuernbergerwitz.eu“ im Fembohaus „Meisterwerk & Massenware“.

Überfordert muss sich niemand fühlen in dieser Ausstellung, die „nicht durch Masse überwältigen, sondern durch Klasse überzeugen“ will, wie es Rudolf Käs vom Fembohaus formuliert. Dort, im Stadtmuseum, bündelt Matthias Henkel, der neue Direktor der städtischen Museumslandschaft, unter der Parole „Meisterwerk & Massenware“ Nürnberger Geschichte in 13 Geschichten, also Objekten, und gönnt damit vor allem der ewig wund gescheuert Lokalpatriotenseele ein Fußbad, macht also Werbung in eigener Sache.

Wer hat’s erfunden? Dürer, Tempo, Taschensonnenuhr, den Bleistift? Die Leistungsschau, die fruchtbare Ideen und Erfindungen auf fränkischem Sandboden in wilden Zeitsprüngen als „Epizentrum“ weltweiter Gewitztheit reklamiert („www.nuernbergerwitz.eu“ als Ausstellungstitel bestätigt das) ist erste und vor allem bestätigende Bestandsaufnahme. Die will „unerwartete Kontraste, erstaunliche Informationen und sinnliche Erfahrungen“ bieten und landet zwischen „Laborsaal“ zum Anfassen und „Wunderkammer“ zum Anschauen. Kultur und Geist kommen dabei – soso – aus der Wirtschaft. Wenn dann der Hauptsponsor, eine Nürnberger Versicherung, gleichzeitig als „Turm der Erkenntnis“ eingereiht wird, hat das Konzept etwas Tollkühnes: „Das passiert einem Unternehmen nicht oft“, gesteht eine Sprecherin.

Eine leicht angerostete Firmentafel, auf der noch gänzlich auf Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg verzichtet wurde, gehört zum Walhalla-Spalier, an dessen Anfang die Tuchersche Tafelgarnitur als Paradebeispiel für Prunkgeschirr aus der Werkstatt Wenzel Jamnitzers steht und ganz am Ende das Dürer-Monogramm als Copyright-Fanal (viel kopiert, immer gerne genommen). Nürnberger Witz hat – trotz fahrerloser U-Bahn 2008 – manchmal auch einen Bart. Der erste Kaufhauskatalog des Manufakturwarenhändlers Georg Hieronymus Bestelmeier (ein „pädagogisches Magazin zur lehrreichen und angenehmen Unterhaltung für die Jugend“ von 1793), das erste Patent für künstliche Farbe („rothes Ultramarin“) und überdimensionaler Stabilo-Leuchtmarker (Werbeslogan: „Heiterkeit, die Ordnung schafft!“) sind da weniger abgegriffen als andere Details, die zwischen Museum Industriekultur und Fembohaus längst ins Allgemeinwissen sickerten.

Mitunter wirkt „nuernbergerwitz“ wie die appetitliche Unterhaltungsausgabe einer ambitionierten, aber erfolglosen Schau im Germanischen, die einst über den Titel „Quasi Centrum Europae“ ins Abseits stolperte. Nun also Geschichte für den Spieltrieb (mit Handy-Selbstauslöser im Harnisch und Dürer-Holzschnitt zum Abreißen), in leseschonender Umgebung. Mit dem Audioguide in der Hand kommt man durch das ganze Land und hört dann das Tempotaschentuch von seiner älteren Schwester Kleenex erzählen. Das Museumstheater von Vorgänger Franz Sonnenberger geht in die nächste Runde.

Ein U für ein L macht den Besuchern Matthias Henkel ab dieser 44. Ausstellung im Fembohaus auf jeden Fall vor. Er hat die bisherige Sackgassensituation des Hauses zum logischen Rundlauf verbessert und macht das, was er schon als Marketing-Spezialist beim Germanischen Nationalmuseum am Besten konnte: Er schreibt Kommunikation gaaaanz groß und setzt auf Slogan-Schlagkraft. „Wir wollen mit der Stadt ins Gespräch kommen“, sagt Henkel. Nach dem Ende der Wahlplakate soll das „richtig heftig“ werden. Gewitztheit kennt keine Grenzen. Andreas Radlmaier

Fembohaus (Burgstr. 15): ab 16. September, bis 25. 11.; Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr

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