Wenn Nahrungsmittel zum Feind werden...
Rund 40 Prozent der Deutschen glauben, an einer Lebensmittel- Allergie zu leiden. Viele entwickeln Ängste, wenn es ums Essen geht. Experten warnen vor Übervorsicht!
NÜRNBERG Der tägliche Einkauf gleicht einem Spießrutenlauf. Margit Schullers* (34) Gedanken kreisen ständig um die Frage: „Was darf ich noch essen?“ Die zweifache Mutter leidet an diversen Nahrungsmittelallergien. Davon ist sie überzeugt. Sie isst keinen Kohl mehr, weil sie davon Blähungen bekommt. Paprika fiel flach, als sie nach dem Verzehr keine Luft mehr bekam. Seit Kurzem lässt sie außerdem jegliches Obst weg, weil sie das auch nicht verträgt.
Der drohende Horror, mit dem die 34-Jährige lebt: Aus Versehen etwas zu essen, was im schlimmsten Fall sogar einen allergischen Schock auslösen könnte – mit Kreislauf- oder Organversagen! Um sich zu schützen, achtet sie penibel darauf, was sie der Familie täglich auf den Tisch stellt.
Das Thema Nahrungsmittelallergie wird nach Meinung von Ernährungsmediziner Dr. Christian Ferentzi (66) am Klinikum Altdorf bei Nürnberg, zu stark hoch gekocht. „Ich habe Patienten erlebt, die aus Panik nur noch Weißbrot und Suppe gegessen haben.“
Durchaus problematisch: Betroffene können durch eine solche Falschernährung dramatisch abmagern und Mangelerscheinungen wie Haarausfall zeigen, weil ihnen wichtige Vitamine, Eiweiße und Mineralien fehlen. Dazu kommt: Ängste, die meist gar nicht nötig wären, werden unter Umständen schon früh auf die Kinder übertragen.
Tatsache ist: Allergien nehmen zu. In Wahrheit sind aber immer noch viel weniger Menschen von einer echten Nahrungsmittelallergie betroffen als angenommen. Zwar glauben rund 40 Prozent der Bevölkerung, dass sie gegen Nahrungsmittel allergisch sind. Ferentzi: „Tatsächlich sind es aber nicht mehr als zwei bis fünf Prozent – und es werden nur langsam mehr.“
Was in den letzten zwanzig Jahren tatsächlich stark zugenommen habe, sind Unverträglichkeiten. Die Ursachen dafür sind noch nicht hinreichend geklärt. Dr. Ferentzi: „Möglich ist es, dass chemische Zusatzstoffe in der Nahrung und Umweltschadstoffe mit verantwortlich sind.“
Zu den bekanntesten Unverträglichkeiten zählt die Laktose-Intoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit). Rund 15 Prozent der Deutschen sind davon betroffen. „Häufig ist auch das so genannte China-Restaurant-Syndrom“, so der Experte, „das durch Geschmacksverstärker (Glutamat) in der chinesischen Küche ausgelöst wird“.
Eine Allergie gegen Unverträglichkeiten abzugrenzen, ist schwierig. Wichtig ist, die Diagnose einem Spezialisten zu überlassen und sich keinesfalls selbst zu „behandeln“, in dem man auf immer mehr Nahrungsmittel verzichtet.
Was sind Auslöser?
Milchzucker, Histamin (kommt u. a. in Rotwein, Käse, geräuchertem Schinken vor), Walnüsse, Bananen, Ananas, Schokolade sind häufige Auslöser für Unverträglichkeiten. Bei Allergien liegt meist eine genetische Veranlagung vor. Besonders Menschen mit Heuschnupfen sind betroffen.
Welche Symptome?
Die Anzeichen für Allergien und Intoleranzen sind ähnlich: Blähungen, diffuse Schmerzen nach dem Essen, Magendrücken, Durchfälle, starker Gewichtsverlust. Bei ausgeprägter Allergie können Hitzewallungen, Engegefühl und zusätzlich Blut im Stuhl auftreten. Ein allergischer Schock ist selten.
Was passiert im Körper?
Bei Allergien: Das Immunsystem bekämpft Stoffe in der Nahrung als wären sie gefährliche Eindringlinge. Werden Allergien nicht erkannt, können sich Symptome verschlimmern oder weitere allergieauslösende Stoffe hinzukommen. Bei Unverträglichkeiten: Der Körper kann Bestandteile wie Milchzucker nicht richtig verdauen.
Wann zum Arzt?
Bei Verdacht ist eine Abklärung beim Internisten oder Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologie) empfohlen - auch deshalb, um schwere Erkrankungen wie Morbus Crohn, (chronische Entzündungen im Darm) auszuschließen.
Wie behandeln?
Bei einer nachgewiesenen Allergie wird eine spezielle Anti-Allergie-Therapie durchgeführt. Bei einer Unverträglichkeit: Den Bestandteil der Nahrung weglassen. mp
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*Name geändert
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