Was wird aus der Kuh, die eigentlich ein Reh sein will?

Mühldorf - Eine verwilderte Kuh sorgt im Landkreis Mühldorf für Aufregung. Wie ein scheues Reh lebte sie im Wald. Aber dann lief sie auf die Straße - ausgerechnet vor ein Polizeiauto – und wurde zum Sicherheitsrisiko.
Nachdem das Tier beinahe mit einem Polizeiauto zusammengestoßen wäre, erließ das Landratsamt eine Anordnung zum Abschuss aus Sicherheitsgründen. Erich Kozel, Fachbereichsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung, bestätigte am Dienstag entsprechende Berichte des „Münchner Merkur“ und der „Passauer Neuen Presse“.
Zugleich versuchen Helfer des Gnadenhofs Gut Aiderbichl, die Kuh zu betäuben und nach Deggendorf zu bringen. Dort soll sie einen Platz bekommen – und wäre der Schlachtbank entronnen. Seit vergangenem Mittwoch ist gut ein Dutzend Helfer mit Aiderbichl-Experten und Tierärzten zu Fuß, mit Pferd und Geländewagen unterwegs, um das extrem scheue Rind aufzuspüren und zu betäuben.
Zusätzlich sind zwei vom Landratsamt beauftragte Experten mit Betäubungs- und Jagdgewehr unterwegs. Nur wenn aus Sicherheitsgründen nötig – etwa wenn die Kuh aufgeschreckt zur Straße läuft – soll sie erschossen werden. Die Helfer gehen mit großer Vorsicht vor. „Wir kennen die Wege, wo sie sich meistens aufhält. Aber momentan haben wir keine Spur“, sagte der Gutsverwalter von Aiderbichl, Hans Wintersteller. „Sie ist ja wie ein Reh, wie ein Wildtier.“
Die lange Zeit alleine im Wald habe ihre Instinkte geweckt – das sei aber nicht ungewöhnlich. Am 24. Mai war die Kuh entwischt. Das sechsjährige Tier war von einem österreichischen Bauern an einen Kollegen bei Aschau am Inn verkauft worden, der sie mästen und schlachten wollte. Vielleicht merkte das Rind, dass seine Tage auf der Weide gezählt waren – es büxte aus und versteckte sich im Wald.
Schon Anfang Juli berichtete die „Passauer Neue Presse“ von der sonderbaren „Kuh, die ein Reh sein will“. Denn wie ein Reh suchte sie einen festen Platz im Unterholz, an dem sie die Tage verbringt. Erst zur Dämmerung kommt sie aus dem Wald, wittert vorsichtig und beginnt dann erst zu grasen. Seitens der Behörden hätte sie dieses Leben weiterführen können - wenn sie nicht am vergangenen Freitag ausgerechnet vor ein Polizeiauto gerannt und damit zum Sicherheitsrisiko für den Straßenverkehr geworden wäre.
„Da konnte man nicht mehr zuschauen“, sagt Erich Kozel. „Es sind sofort Verkehrsschilder aufgestellt und alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden.“ Aiderbichl hat die Kuh inzwischen ihrem Besitzer abgekauft, um sie zu retten. Das Rind erhielt den Berichten zufolge den Namen Yvonne – nach einer schwer kranken Frau aus Frankfurt, die sich sehr wünscht, dass das Tier lebend gefangen wird. Doch wie lange das dauern wird, ist offen – es kann, so sagen die Aiderbichl-Experten, Wochen dauern.