Vor 13 Jahren ins Koma geprügelt: Das lange Sterben des Peter R.

Bayreuther erlitt nach Prügel-Attacke schweres Schädel-Hirn-Trauma. Er wurde nur 46 Jahre alt. Die Tritte von damals trafen auch seine Familie – der Behinderte war seitdem ihr Mittelpunkt
BAYREUTH Am 13. Februar war Peter Regers 47. Geburtstag. Er hat ihn nicht mehr erlebt! Am 1. Februar ist der Mann, der am 16. Oktober 1996 in Bayreuth das Opfer einer brutalen Straftat wurde und seither als Schwerbehinderter leben musste, gestorben.
Die schweren Kopfverletzungen fügte Peter Reger ein Mann zu, der heute 58 Jahre alt ist. Lothar G. hatte damals 2,8 Promille intus, als er Peter Reger an der Alten Stadtmauer niederschlug und ihm gegen den Kopf trat. Als er aus dem Koma erwachte, war Peter Reger ein Krüppel, halbseitig gelähmt, ein Pflegefall.
Die Tritte trafen auch die Familie
Die Tritte trafen auch seine Familie. Peter Regers Schwester Christine sagt: „Unser Vater hat das nicht verkraftet. Er hatte einen Schlaganfall gehabt und dann das. Er starb 1997.“ In diesem Jahr wurde Peter Reger nach Hause gebracht. Seine Mutter Karin wurde seine Pflegerin. 24 Stunden pro Tag war sie für ihren Sohn da, fütterte ihn, wickelte ihn, wusch ihn, redete mit ihm. Christine Reger: „Von Anfang an waren wir uns einig: Niemals kommt der Peter ins Heim."
Im September 2005 starb Karin Reger. Die Betreuung des Bruders übernahmen Schwester Christine, eine Pflegerin und Schwager Marcel Ottavianelli. Christine Reger und ihr Schwager gaben ihre Arbeitsstellen auf. Die Schwester: „Ich sagte sofort, dass ich ihn nicht sitzen lasse.“
Für die Betreuung gab's eine Entschädigungsrente
Für die Betreuung des Opfers zahlte der Staat eine Entschädigungsrente. Christine Reger schulte zur Pflegehelferin um: „Mein Schwager und ich wurden zu Angestellten meines Bruders. Er war quasi unser Chef.“ Rund 2.400 Euro bekam die Schwester monatlich als Entlohnung für die Betreuung des Verbrechensopfers: „Wegen des Geldes habe ich das nicht gemacht. Ich hatte zuvor drei Arbeitsstellen. Ich habe das gemacht, weil es mir Freude gemacht hat, meinen Bruder zu betreuen. Für mich war das keine anstrengende Arbeit."
Der Schwerbehinderte wurde zum Mittelpunkt der Familie. „Er hat Fortschritte gemacht“, sagt seine Schwester. „Er hat verstanden, was wir zu ihm gesagt haben. Wir haben ihn überall mitgenommen im Rollstuhl: ins Schwimmbad, aufs Volksfest. Wenn man ihn da gefragt hat, was er essen oder trinken will, dann hat er gesagt: Gleeß und Bier. Wenn ihm was nicht gepasst hat, sagte er: Lass mir mei Ruh’.“
"Er hat oft geweint"
Peter Reger, da sind seine Schwestern Christine und Silke überzeugt, war sich seiner Lage bewusst. Christine Reger: „Er hat oft geweint, wenn er alleine in seinem Bett lag."
Christine Regers drei Kinder haben von klein auf an das Unglück ihres Onkels miterlebt: Der heute 23-jährige Sohn musste kurz nach der Straftat zum Psychotherapeuten. Die Tochter (26) hat im Gedenken an ihren Onkel im Internet ein Foto Peter Regers veröffentlicht und einen Text geschrieben: „Heute war die Trauerfeier für meinen Onkel. Heute, wo ich weiß, warum du schon so früh gehen musstest, macht mich das noch viel wütender. Ich hasse diesen Menschen jeden Tag mehr.“
Wut auf den Täter kommt immer wieder hoch
Damit ist Lothar G. gemeint. Auf den kommt auch Christine Reger zu sprechen, als sie bekennt: „Wir wussten von den Ärzten, dass der Peter vermutlich nicht alt werden wird. Aber dass er so jung stirbt, das hat keiner gedacht. Ich fühle mich jetzt, als hätte ich jeden Sinn verloren. Es ist, als ob ich in einem richtig finsteren Loch sitze. Und die Wut auf den Täter – sie kommt immer noch hoch.“
Manfred Scherer