Von wegen Rauchverbot: In Nürnberg qualmt’s wieder!
„Anarchie“ statt Recht und Ordnung. Jetzt knickt auch der Gesetzgeber ein. Was halten Sie von einer Lockerung des Gesetzes?
NÜRNBERG Kurz vor Mitternacht weht es nochmal einen Schwung Gäste in die proppenvolle Südstadt-Kneipe, und dann ist es, seufzt Wirt Tobi (Name geändert), „auch schon wurscht“. Tobi verzichtet auf die Ausweiskontrolle der Neuankömmlinge.
Denn eigentlich ist seine Kneipe keine Kneipe, sondern ein Club. Seit März 2008 exklusiv für Mitglieder, die dort nicht nur trinken, sondern eben auch nach Herzenslust qualmen dürfen: eines von Nürnbergs knapp 250 registrierten Raucher-Reservaten.
Bald könnte das Total-Verbot kippen.
Im Januar letzten Jahres wurde das Rauchen durch das neue „Gesundheitsschutzgesetz“ (GSG) illegal in Bayerns Gaststätten. Gesetzestreuen Wirten sollte bald die Nikotin-süchtige Kundschaft wegbleiben, „immer wieder gab es Ärger mit lärmgeplagten Anwohnern, die sich von den Rauchern vor der Tür belästigt fühlten“, erinnert sich Gastronom Marc Klages (Fogon, Frizz). Sein Kollege Volker Medrow machte ob des Rauchverbots gar sein „Pele Mele“ in der Großweidenmühlstraße dicht.
Dass sich die Lage für Nürnbergs Wirte mittlerweile konsolidiert har, mag an jener „Anarchie“ (Klages) liegen, die Einzug gehalten hat in Nürnbergs Kneipenlandschaft. Wie bei Tobi, dem es eben irgendwann „wurscht“ ist, ob die Gäste Mitglieder sind oder nicht. Oder wie in einer Gostenhofer Pinte – kein Raucherclub –, wo zu vorgerückter Stunde die Partymannschaft flugs zur „Geschlossenen Gesellschaft“ erklärt wird, und die Aschenbecher hinter dem Tresen hervorgekramt werden. Konsequenzen müssen die Wirte kaum fürchten: „Wir haben kein Personal für Kontrollen“, sagt Michael Schaffert vom Nürnberger Ordnungsamt. Die bis dato 75 Bußgeldverfahren wurden nur auf Beschwerden hin verhängt.
Doch mit der Gesetzlosigkeit – man ist ja in Bayern – soll bald endgültig Schluss sein: Markus Söder, Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, will „noch im Januar“ eine Initiative vorlegen, die das Rauchen in „Festzelten, Einraumkneipen bis 75 Quadratmetern und Nebenräumen“ wieder gestattet, erklärte eine Sprecherin gegenüber der AZ.
„Endlich Klarheit“, freut sich Klages. Und Wirte wie Tobi sparen sich das Papier für die Ausweise.
Steffen Windschall