Vom falschen Leben durchpulst

Video-Erzählungen als Großtat: Das Institut für moderne Kunst zeigt „Reynold Reynolds — Films“ im Zumikon.
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Zwei aus sechs Mal Leben: US-Video-Künstler Reynold Reynolds vor seinem Werk „Sechs Wohnungen“ in der Ausstellung des Instituts für moderne Kunst im Zumikon.
Berny Meyer Zwei aus sechs Mal Leben: US-Video-Künstler Reynold Reynolds vor seinem Werk „Sechs Wohnungen“ in der Ausstellung des Instituts für moderne Kunst im Zumikon.

NÜRNBERG - Video-Erzählungen als Großtat: Das Institut für moderne Kunst zeigt „Reynold Reynolds — Films“ im Zumikon.

Es knistert und knackt, züngelt und flammt, aber keiner schaut hin: Wo sich Biedermänner und -frauen vom Feuerteufel anstecken lassen, ohne sich weiter darum zu scheren, kann es mit der Wahrheitsfindung nicht weit her sein.

„Brennen“ ist eines von drei Videos, die das abgedunkelte Zumikon in seiner Ausstellung „Reynold Reynolds — Films“ zeigt. Und Nürnberg damit eine der faszinierendsten Ausstellungen des Herbstes schenkt. Reynolds, der zwischen Berlin, Utrecht und Stuttgart pendelnde Amerikaner, legt in seinen acht- bis zwölfminütigen Filmen Lesarten nahe, aber keine vor.

Wie in „Sechs Wohnungen“, einem panoramatischen Welt-Gleichnis: Als endlose Kamerafahrt inszeniert er via Doppelprojektion den Einblick ins Leben von sechs Menschen: Ein dicker Mann schaut fern, ein Rocker streichelt seine Schlange, die später eine Maus runterwürgt, eine junge Frau feilt sich die Nägel. Auf der zweiten Bildfläche verwesen im Zeitraffer Ratten und Fische, durchpulst von falschem Leben der Gärprozesse und Aasfliegen. Während in den Radios und Fernsehern die Folgen der Erderwärmung diskutiert werden, lässt eine alte Frau ihren Kühl- und Gefrierschrank offen, sperren fast alle die Natur als Haustiere ein, horten sie Abfälle.

Mit altmodisch gewordenem Super-8- und 16-Millimeter-Material schafft Reynolds raumtiefe Bilder von Verwesung und Vergehen, von Leiden und Tod, die die Kraft und Ruhe barocker Stillleben atmen. Vielleicht lag es an ihnen, dass Gerhard Falkner, dichtender Wahl-Berliner und Teilzeitfranke, mit Reynolds zusammenarbeiten wollte. Entstanden ist so nicht nur der Kontakt zum Zumikon-Team, sondern auch der „Letzte Tag der Republik“: Während im Zeitraffer Abrisskräne reptiliengleich die letzten Betontürme des einstigen Palasts der Republik zerknabbern, spricht Falkner Verse von einer Wucht, die William Shakespeare mit Heiner Müller versöhnen und Berlin mit dem antiken Karthago gleichsetzen. Dokumentarisch ist das und zugleich ein großes Menschheitsdrama, verdichtete Zeitgeschichte, filmisch kongenial aufgefangen. Georg Kasch

Zumikon (Großweidenmühlstraße 21): bis 13. Februar, Di-Sa 17-20 Uhr

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