Virologe über FFP2-Maskenpflicht: "Das ist Populismus und Blödsinn"

München - Aktionismus, Chaos, schlechte Umsetzung: Die Entscheidung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), ab Montag FFP2-Masken im ÖPNV und beim Einkaufen zur Pflicht zu machen, hat ihm viel Kritik eingebracht. Nun fordert die Opposition im Landtag, die verschärfte Maskenpflicht grundsätzlich neu zu justieren – und Mediziner zweifeln am Nutzen der FFP2-Masken für Privatpersonen.
RKI empfiehlt FFP2-Masken nicht zur privaten Nutzung
Im Widerspruch zu der neuen Verordnung steht, dass das Robert Koch-Institut (RKI) in seinen Infektionsschutzmaßnahmen (Stand 6. Januar) das Tragen von FFP2-Masken zur privaten Nutzung gar nicht empfiehlt. Zudem warnt es vor möglichen Gesundheitsrisiken bei Lungenkranken und älteren Personen. Ist Söders Beschluss also gar gesundheitsgefährdend?
Virologe Podbielski hält den Beschluss für Aktionismus
Auf AZ-Anfrage heißt es lediglich, das RKI kommentiere generell keine Maßnahmen anderer Behörden oder Länder. Es verweist allerdings auf eine im November herausgegebene Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) zur Infektionsprävention durch das Tragen von Masken, die sich im Wesentlichen mit den Empfehlungen des RKI deckt.
An dieser Stellungnahme mitgewirkt hat Virologe und DGHM-Mitglied Andreas Podbielski, Direktor des Instituts für Medizische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene der Universität Rostock. Und der findet deutliche Worte: "Ich weiß nicht, was Herrn Söder da geritten hat", sagt der Professor der AZ. "Das hört sich für mich nach Aktionismus an."
FFP2-Maskenpflicht: "Das ist belastend"
Das Tragen von FFP2-Masken im privaten Bereich sei "Populismus und Blödsinn", so Podbielski weiter. "Das ist belastend, und ich sehe den Sicherheitsgewinn außerdem nicht, sondern haufenweise Risiken." Alltagsmasken zu tragen hält er dort, wo es angebracht ist, für sinnvoll. FFP2-Masken gehören aus seiner Sicht jedoch nur in die medizinischen Berufe.
Erschöpfung durch die Masken
Eine FFP2-Maske habe einen größeren Atemwegswiderstand, erklärt der Mediziner – nicht umsonst sei im Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben, nach zweistündigem Tragen eine Pause einzulegen. Selbst gesunde Menschen seien nach dieser Zeit körperlich erschöpft. Bei kranken oder älteren Menschen verstärke sich dies noch. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Atemkapazität erschöpfe und es im schlimmsten Fall zu einem Kreislaufkollaps kommen könne.
Für Laien ist ein ordnungsgemäßes Tragen schwierig umzusetzen
Podbielski sagt: "Es muss akzeptiert werden, wenn Personen aus medizinischen Gründen keine FFP2-Masken tragen können. Da muss dann auch eine normale reichen." Grundsätzlich sieht der Virologe zwar eine größere Schutzwirkung vor Viren bei den FFP2-Masken – sofern sie ordnungsgemäß getragen würden, was für Laien schwierig umzusetzen sei. Allerdings sei das Tragen im privaten Bereich "Schwachsinn" – sowohl auf der Straße, als auch beim Einkaufen oder im ÖPNV.
Experten zweifeln an dem Nutzen
Es gebe keine Studien, die etwa eine Notwendigkeit zum Tragen von FFP2-Masken im Öffentlichen Nahverkehr nahelegen würden. Zudem sieht Podbielski die Gefahr, dass durch diese Verschärfung, die für viele Menschen nicht nachvollziehbar sei, sinnvolle Maßnahmen zunehmend angezweifelt werden.
Bereits zuvor hatten Experten daran gezweifelt, ob das Tragen einer FFP2-Maske im Alltag einen großen Nutzen für den Infektionsschutz bietet. "Ich glaube nicht, dass das einen großen Unterschied macht", sagte etwa Johannes Knobloch, der Leiter des Bereichs Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: "Im schlimmsten Fall kann sich die Lage sogar verschlechtern, weil sich die Leute geschützter fühlen und weniger vorsichtig sind."
Gegenwind auch von politischer Seite
Andere Mediziner, darunter der Virologe Alexander Kekulé, halten das Tragen der Masken im öffentlichen Raum jedoch grundsätzlich für sinnvoll.
Auch aus der Oppostion im Landtag erhält Söder für die neue Maßnahme kräftigen Gegenwind. "Für eine solche Maßnahme bräuchte es schon aus epidemiologischer Sicht eine saubere Vorbereitung, die Menschen müssen geschult und Ausnahmen von der Tragepflicht definiert werden", sagt Bayern-SPD-Chefin Natascha Kohnen auf AZ-Anfrage. Sie frage sich, ob der Ministerpräsident die Empfehlungen des RKI vor "seinem Schnellschuss" überhaupt angesehen habe. Zudem kursierten im Internet reihenweise Masken von minderer oder fragwürdiger Qualität, Bartträger dürften eigentlich weder den ÖPNV nutzen noch einkaufen gehen, da die Masken bei ihnen nicht dicht genug anliegen können.
FDP fordert Freiwilligkeit und Kostenübernahme
Kohnens Forderung: Der Termin für die FFP2-Maskenpflicht müsse nach hinten geschoben werden, bis die offenen Fragen zufriedenstellend geklärt sind.
Die FDP-Fraktion spricht sich generell für eine Abschaffung der FFP2-Maskenpflicht aus: "FFP2-Masken sollten nur freiwillig getragen werden – und sie müssen kostenfrei sein", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP Bayern, Dominik Spitzer, auf AZ-Anfrage. Auch er sieht eine Tragepflicht für lungenkranke Patienten kritisch und rechnet damit, dass Hausarztpraxen nun mit deutlich mehr Menschen konfrontiert werden, die ein Befreiungsattest benötigen.