Vier syrische Flüchtlinge in Stadelheim vor ungewissem Schicksal

München – Weil sie nicht direkt aus Syrien, sondern über Ungarn nach Deutschland gekommen sind, fürchtet der Bayerische Flüchtlingsrat, dass die zwei desertierten Soldaten und zwei Frauen nun über das südosteuropäische Land in die Hände des autoritären syrischen Regimes ausgeliefert werden – obwohl die Bundesrepublik selbst direkte Abschiebungen nach Syrien wegen der täglichen Gewalt ausgesetzt hat.
Das Innenministerium in Berlin sieht jedoch keinerlei Anlass, von „Überstellungen“ nach Ungarn abzusehen, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Bei den Männern handelt es sich nach Angaben des Flüchtlingsrats um zwei desertierte syrische Soldaten, die nicht auf Demonstranten schießen wollten, die zwei Frauen sind Bekannte. Der erste EU-Staat, den sie bei ihrer Flucht erreichten, war Ungarn, von wo aus sie nach Deutschland fuhren.
Die vier seien dann Anfang Dezember in einem Auto von der bayerischen Polizei aufgegriffen worden, sagte Simone Fischer vom Flüchtlingsrat. „Seitdem sitzen sie in Stadelheim.“ Nach der sogenannten Dublin-Verordnung der EU müssen Flüchtlinge in dem Mitgliedstaat den Asylantrag stellen, den sie als erstes erreichen – in diesem Fall Ungarn. Das Problem: Ungarn ist in den vergangenen Jahren sowohl von Nichtregierungsorganisationen als auch vom UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR scharf kritisiert worden, weil Flüchtlinge dort außerordentlich hart behandelt werden.
So hat Ungarn nach einem UNHCR-Bericht vom Herbst 2010 gegen das internationale Rechtsprinzip verstoßen, Flüchtlinge nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen Gefahr droht. Außerdem kritisierte die UN-Behörde vor zwei Jahren, dass Flüchtlinge in Ungarn häufig unter gefängnisähnlichen Umständen eingesperrt würden. Frauen würden sogar „lange Zeiträume“ in Isolation gehalten. Der UNHCR sei „besorgt“, hieß es in dem damaligen Bericht. „Ungarn schreckt auch in der derzeitigen Lage nicht davor zurück, Menschen nach Syrien abzuschieben, wo ihnen Haft, Folter oder der Tod drohen“, sagte Simone Fischer vom Flüchtlingsrat. Der Sprecher des Innenministeriums erklärte dagegen, man gehe davon aus, dass die Bestimmungen des Flüchtlingsrechts von Ungarn eingehalten würden.
„Gegenteilige Erkenntnisse liegen nicht vor.“ Direkt nach Syrien wird seit April 2011 niemand mehr abgeschoben. Außerdem hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylverfahren von Syrern derzeit faktisch auf Eis gelegt, so dass direkt von Syrien nach Deutschland gekommene Flüchtlinge vorläufig bleiben können. „Soweit hier bekannt, haben seit dem 28. April 2011 keine Rückführungen mehr nach Syrien stattgefunden“, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Berlin dazu mit. Der Flüchtlingsrat fordert nun, auch die vier über Ungarn gekommenen Syrer in Deutschland aufzunehmen.
„Es ist ein Armutszeugnis, wenn die Bundesrepublik auf der einen Seite die Gewalt in Syrien öffentlich verurteilt – und gleichzeitig Menschen, die aus Syrien nach Deutschland geflohen sind, keinen Schutz vor eben dieser Gewalt bietet“, kritisierte Fischer.