Verwundete US-Soldaten lernen das Tauchen

In Werneck werden Heimkehrer aus Kampfeinsätzen gezielt behandelt
von  Abendzeitung

In Werneck werden Heimkehrer aus Kampfeinsätzen gezielt behandelt

WERNECK Man könnte die neun durchtrainierten Männer, die an diesem Tag im Hallenbad der unterfränkischen Gemeinde Werneck sind, auf den ersten Blick für Wettkampfschwimmer halten. Doch die US-Soldaten sind hier, um die Schrecken des Krieges zu verarbeiten.

Im Wasser sollen sie buchstäblich abtauchen, um zu verarbeiten, was sie erlebt haben. Die Männer sind erst seit wenigen Monaten aus Kampfeinsätzen im Irak und Afghanistan zu ihren Einheiten nach Schweinfurt zurückgekehrt. Sie haben Wunden davongetragen – nicht nur seelische: „Einige haben Schuss- oder Splitterverletzungen, andere leiden unter posttraumatischem Stress“, erläutert Staff-Sergeant Joshua Kennedy.

Kennedy ist seit zwei Jahren passionierter Taucher und kam auf die Idee, mit einer Tauchschule einen Schnupperkurs anzubieten. Das sei in Europa bisher einmalig, sagt er. Tauchen als Therapie gegen das Trauma des Krieges gab es bisher nur in einer Reha-Klinik im US-Bundesstaat Florida. Damit soll den verletzten Soldaten nicht nur das leichtere Bewegen dank der tragenden Kraft des Wassers ermöglicht werden. Vergleichbar mit der Delfin-Therapie soll das sanfte Dahingleiten sich nach Angaben von Tauchlehrerin Gabi Knorr auch beruhigend auf die Psyche auswirken.

Zum Auftakt Ende Januar meldeten sich 20 GIs, darunter einer mit Unterarmamputation. „Der Fokus liegt dabei darauf, ihnen zu zeigen, was sie trotz ihrer Verletzungen noch leisten können“, sagt Kennedy. Dies sei Teil der Therapie der US-Army in Schweinfurt für verwundete Soldaten. Dies helfe ihnen, die Erlebnisse im Krieg zu verarbeiten.

Sport für die Seele: Auch in Ansbach gab es schon einen Termin

Einer von ihnen ist Sergeant Matthew Love. Der 30-Jährige war zwischen Mai 2007 und Juli 2009 in den afghanischen Bergen eingesetzt. Von den vielen Patrouillengängen in dem unwegsamen Gelände seien seine Knöchel kaputt, sagt er und zeigt die Operationsnarben. Was man nicht sieht, sind die anderen Wunden: Love leidet unter posttraumatischem Stress, auch durch Bombenexplosionen.

„Wir wurden täglich beschossen, meist wussten wir gar nicht, wo sie waren“, erinnert er sich. Es sei die Hölle gewesen, viele seiner Kameraden seien bei den Angriffen aus dem Hinterhalt getötet worden. Die 90-minütige Taucheinheit genießt er sichtlich: „Das war sehr entspannend und auch gut für die Gelenke.“ Love will aufgrund der Erlebnisse in Afghanistan im Sommer die Army verlassen und zurückkehren in die USA.

Während er aus dem Wasser steigt, wollen viele seiner Kollegen am liebsten gar nicht aufhören. Tauchtrainerin Gabi Knorr betont, es sei besonders wichtig, dass die GIs ein Gefühl der Sicherheit haben, wenn sie ins Tauchbecken stiegen. Darum steht am Anfang auch eine gründliche Unterweisung in dem Umgang mit dem Drucklufttauchgerät, den Druckausgleich und die Kommunikation unter Wasser. Entscheidend für die Therapie sei auch das Vertrauen in den Nebenmann, „denn Tauchen ist auch ein Partnersport, insofern ist es auch eine Weiterführung des Einsatzes“.

Gut die Hälfte der bisher 30 Teilnehmer haben sich zu einem Tauchkurs angemeldet, die Kosten übernimmt die Army. Werneck hat Schule gemacht, einen ähnlichen Termin gab es bereits in Ansbach. Und das soll noch nicht alles gewesen sein: „Wir versuchen das System auf alle Standorte in Deutschland auszuweiten“, sagt Staff-Sergeant Stephen Gagne. Ralph Bauer

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