Verrückt: Hier fährt kein Bus nach irgendwo!

Projekt an einem Fürther Altersheim: Phantom-Haltestelle soll verwirrten Senioren helfen.
von  Abendzeitung
Monika Lindner hatte die Idee für die Phantom-Haltestelle.
Monika Lindner hatte die Idee für die Phantom-Haltestelle. © bayernpress

Projekt an einem Fürther Altersheim: Phantom-Haltestelle soll verwirrten Senioren helfen.

FÜRTH Immer wieder liest man davon: Senioren verschwinden aus dem Altenheim, werden erst Stunden oder gar Tage später gefunden. Im Fritz-Rupprecht-Heim in Fürth-Burgfarrnbach ist das schon länger nicht mehr passiert. „Schuld“ daran ist eine einfache Bushaltestelle.

„Die Idee dazu hatte Monika Lindner, eine Pflegerin, im Rahmen ihrer gerontopsychiatrischen Zusatzausbildung“, erklärt Heimleiter Udo Weißfloch. Denn an dieser Haltestelle fährt kein Bus. Sie ist eine Attrappe, die die Bewohner am Weglaufen hindert. „Und zwar schlicht dadurch, dass sie den Impuls auslöst, dort auf den Bus zu warten.“ Denn Demenz, so erklärt Monika Lindner, „geht immer mit einer örtlichen und zeitlichen Desorientierung einher. Wenn die Senioren also ausbüchsen wollen, dann einfach weil sie denken: ,Ich muss jetzt auf die Arbeit, nach Hause oder in den Garten’. Und das funktioniert eben am besten per Bus.“

Der Trick funktioniert

Die Haltestelle schützt die Senioren also quasi vor sich selbst. „Statt hilflos durch den Park oder die Stadt zu irren setzen sie sich hin und warten“, so Weißfloch. Dank der Haltestelle ist es dem Heim somit möglich, den dementen Bewohner ein größtmögliches Maß an Freiheit zu bieten. Weil der Trick funktioniert, „müssen sie nicht in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden, sondern können sich frei bewegen.“

Und so sitzt nun immer mal wieder jemand auf der Bank, die – samt Fahrplan, Haltestellenschild und Telefonzelle – direkt gegenüber des Heimeingangs steht. „Von der Verwaltung und dem Café aus haben wir die Haltestelle immer im Blick“, erzählt Udo Weißfloch. Entweder geht dann ein Pfleger raus und verwickelt die Senioren in ein Gespräch, um sie wieder ins Heim zu locken. „Es kommt aber auch vor, dass die Senioren nach einer halben Stunde entrüstet bei uns in der Verwaltung stehen und fragen, wann denn nun endlich der Bus fährt!“

Von 211 Bewohnern im Fritz-Rupprecht-Heim sind 100 dement. Kurt Fritz Kammler, 84 Jahre alt und nicht dement, fühlt sich durch die Attrappe aber nicht veräppelt: „Im Gegenteil. Ich finde es sehr positiv, dass man sich hier derart Gedanken macht.“ Und Georg Friedrich (86) ergänzt: „Ich habe auch schon Bewohner, die hier saßen, angesprochen und sie wieder nach innen geführt.“

"Der Erfolg ist deutlich spürbar"

Installieren konnte das Heim die Haltestelle dank der Unterstützung durch die infra Fürth und die Telekom. „Als wir dort angerufen haben, dachten die erstmal, wir sind nicht ganz knusper“, lacht Weißfloch. „Als wir allerdings erklärt haben, worum es geht, waren sie sofort begeistert und haben uns die Haltestelle kostenlos zur Verfügung gestellt. Und der Erfolg ist deutlich spürbar.“

„Sowieso ist das ein prima Platz“, lacht Kurt Fritz Kammler. „Es ist schön sonnig und man hat prima im Blick, wer kommt und wer geht.“ kes

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.