Verlängerter Klang-Teppich vom Mittelmeer
Nürnberg - Savina Yannatou singt mediterrane Wiegen- und Hochzeitslieder in der Katharinenruine zwischen Freudentaumel und Sehnsuchtsschmerz
Er ist schwer zu fassen, dieser Klang: vielstimmig, vielrhythmisch, vielfarbig gewirkt wie ein orientalischer Teppich aus Geige, Kontrabass, Akkordeon, Gitarre, Flöte und Perkussion. In der Nürnberger Katharinenruine fügt sich wie ein Silberfaden Savina Yannatous wandlungsreiche Charakterstimme von schneidender Kraft hinein.
Yannatou, in der Alten Musik ebenso lange zu Hause wie in der Weltmusik, hatte neben ihrer sechsköpfigen Band Primavera En Salonico Lieder aus dem Mittelmerraum dabei: Schmerzlich schöne Arabesken aus Griechenland und Bulgarien, Hochzeitslieder aus Italien und Palästina, sehnsuchtsschwangere Wiegenlieder aus Israel und Armenien. Yannatou scheint sich ganz in ihre Stimmakrobatik zu versenken, lächelt selten, greift stattdessen zum Tambourin und tritt in den Hintergrund, wenn die Musiker ohne sie aufspielen.
Erstaunlich, wie selbstverständlich Fröhlichkeit und Schwermut in Südeuropa ineinander übergehen, wie nahe rhythmische Ordnung und Klang-Chaos liegen. Die Band findet komplexe, jazzige Übergänge: In ein a cappella vorgetragenes Lied beginnen beiläufig Finger zu trommeln, andere stimmen mit Klopfen und Zirpen ein, und dann bricht er los, der Klang-Orkan, ein wirbelndes Fest.
Lange sitzt das Publikum brav auf seinen Klappstühlen und applaudiert höflich, bis Yannatou nach nur 70 Minuten ihre Mitstreiter vorstellt und damit das Schlusssignal gibt. So schnell wollen die Exil-Griechen und Weltmusikfans ihren Star nicht gehen lassen und jubeln so ausdauernd, dass Yannatou auf 20 Minuten verlängert. Dann kommt der Regen. Georg Kasch
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