Verband warnt vor dramatischem Lehrermangel in Bayern

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband sieht das "Kartenhaus" Schule bald zusammenbrechen. Wo es besonders an Personal mangelt, was die Pädagogen fordern – und wie der Kultusminister auf die Kritik reagiert.
Ralf Müller |
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Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Simone Fleischmann beklagt die Situation an Grund-, Mittel- und Förderschulen im Freistaat. Dort fehlen Lehrkräfte. Nicht das einzige Problem, mit dem sich die Schulen konfrontiert sehen.
Die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Simone Fleischmann beklagt die Situation an Grund-, Mittel- und Förderschulen im Freistaat. Dort fehlen Lehrkräfte. Nicht das einzige Problem, mit dem sich die Schulen konfrontiert sehen. © imago/Ralph Lueger

München - Statt mit verstärkten Anstrengungen die in der Corona-Pandemie entstandenen Bildungsdefizite aufzuholen und auszugleichen, steht das "Kartenhaus" der bayerischen Schulen vor dem Zusammenfallen. So sieht der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Lage wenige Wochen nach dem Start des neuen Schuljahrs. Besonders angespannt sei die Lage an den Grund-, Mittel- und Förderschulen, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann am Montag in München.

Schulleiter besonders unter Druck

Extrem unter Druck stehen nach den Worten von BLLV-Vizepräsident Tomi Neckov die Schulleiter, die zusätzlich zu ihren Aufgaben das aufwendige PCR-Lolli-Testverfahren managen müssen. Zudem seien die Schulleiter vom "Verwaltungs- und Organisationswahnsinn" und einem "Bürokratieschlamassel" betroffen. Allein im vergangenen September habe das Kultusministerium 485 Seiten mit Regelungen und Anweisungen verschickt. Es häuften sich Fälle, in denen Schulleiter ihr Amt aufgeben wollten.

Der weiterhin grassierende Lehrermangel an den Grund-, Haupt- und Förderschulen habe zur Folge, dass Förderlehrer zum Stopfen von Löchern eingesetzt werden müssten und Angebote für Praxis- und Mittlere-Reife-Klassen entfielen, sagte Fleischmann. Es gebe Mittelschulen, an denen zur Hälfte fachfremdes Lehrpersonal eingesetzt werden müsse. Als Beispiele nannte die BLLV-Präsidentin Ergotherapeuten, Ethnologen, Frankreich-Wissenschaftler und eine Diplom-Opernsängerin. Klassen würden zusammengelegt, Arbeitsgemeinschaften und Ganztagsangebote ausgedünnt.

Simone Fleischmann.
Simone Fleischmann. © dpa

Zahl der Studienanfänger teils drastisch zurückgegangen

Das alles sind nach Einschätzungen des BLLV Anzeichen für einen anhaltenden gravierenden Lehrermangel, der sich noch verschärfen werde. Zum letzten Wintersemester sei die Zahl der Studienanfänger für das Lehramt an Mittelschulen um 54 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig fehlen in dieser Schulart bis 2025 ohnehin 1.650 Lehrerinnen und Lehrer laut Prognose des Kultusministeriums.

Angesichts dieser Situation könnten die Lehrer "Schönfärbereien" der Politik nicht mehr hören, sagte Fleischmann. Während die Situation "so dramatisch wie noch nie" sei, behaupte Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass es in Bayern noch nie so viele Lehrer wie gegenwärtig gegeben habe.

Anzahl von Schülern pro Lehrer verbessert

In den letzten zehn Jahren habe sich das Schüler-Lehrer-Verhältnis an staatlichen Grundschulen von 18,4 Schülerinnen und Schülern pro Lehrkraft auf 16,8 verbessert, listete Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) in seiner Gegendarstellung auf. An der Mittelschule liege der entsprechende Wert bei 11,4 (früher 13,0).

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Kultusminister Piazolo weist Kritik zurück

Piazolo wies auch die Darstellung zurück, viele Grund- und Hauptschulen müssten derzeit ohne Schulleitung auskommen. "Weniger als ein Prozent" der Schulleitungsstellen an Grund- und Mittelschulen seien in einem laufenden Besetzungsverfahren noch nicht vergeben gewesen, sagte Piazolo, bezog seine Aussage allerdings auf das vergangene Schuljahr.

Die SPD im Landtag schloss sich hingegen der Kritik des BLLV an. Die bayerischen Schüler bräuchten nach zwei Pandemie-Jahren jetzt Zeit für das soziale Miteinander, für gute Pädagogik und für ein gemeinsames Leben und Lernen, erklärten die Bildungspolitikerinnen Margit Wild und Simone Strohmayr.

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5 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 05.10.2021 16:52 Uhr / Bewertung:

    Ich kann die Kritik des Lehrerverbandes voll nachvollziehen.
    "quer" vom 14.09.2021 Titel: "Bürokratie-Posse bei Cornoa-Nachhilfe"

    Da möchte eine ehem. Lehrerin in ihrer ehemaligen Schule, in der sie 14 Jahre lang gearbeitet hat, helfen, und muß erstmal einen Lebenslauf und eine Bewerbung abschicken. Und das ist nur der Abfang.
    Aber man muß sich diesen Bürokratie-Irrsinn nur mal ansehen, da fällt einem nichts mehr ein.

  • hiertanzenvieleihrennamen am 05.10.2021 11:42 Uhr / Bewertung:

    "Allein im vergangenen September habe das Kultusministerium 485 Seiten mit Regelungen und Anweisungen verschickt. Es häuften sich Fälle, in denen Schulleiter ihr Amt aufgeben wollten." Wie viel hunderte Schulleiter müssen eigentlich noch kündigen bevor die Politik den Zusammenhang rafft? Und zum dramtischen Lehrermangel: aus ideologischen Gründen werden starke und schwache Schüler, Inklusions-und Integrationskinder in eine Klasse gestopft, dann noch in jeder Klasse ADHS-ler, wie soll ein Lehrer alle weiterbringen? Ganz zu schweigen von Helikopter-Eltern und Großfamilien-Diskussionen. Warum sollte sich ein Lehrer in den Burnout treiben lassen? Also wird es immer weniger Lehrer geben, wenn die Politik weiterhin ungerührt und tatenlos zusieht.

  • SL am 05.10.2021 17:18 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von hiertanzenvieleihrennamen

    Nennen Sir mir einen Schulleiter, welcher gekündigt hat. Keiner, denn keiner setzt seine hohen Pensionsansprüche aufs Spiel. Bei Kündigung würden diese in der Rentenversicherung nachversichert und das will doch keiner. Ja viele Lehrer sind im Burnout. Ich sehe diese mehrheitlich bei bester Gesundheit täglich auf dem Golfplatz. Aber Spontanheilungen nach frühzeitiger Pensionierung ist ja bei Beamten oft zu beobachten

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