Veranstalter warnt nach CSD-Absage in Regensburg: "Dürfen wir nicht zulassen"
Erst Ende Mai hatte der Münchner Grünen-Politiker Florian Siekmann Alarm geschlagen: Rechtsextreme Gruppierungen wie etwa "Jung und Stark Bayern" würden im Freistaat zunehmend kleinere Paraden zum Christopher-Street-Day (CSD) ins Visier nehmen, die Umzüge stören und Teilnehmer bedrohen, warnte der queerpolitische Sprecher der Landtagsfraktion im Gespräch mit der AZ.
Nun ziehen die ersten CSD-Veranstalter unter dem Eindruck einer "abstrakten Bedrohungslage" Konsequenzen: Die Regenbogen-Parade in Regensburg wird am 5. Juli nicht wie geplant quer durch die Altstadt verlaufen. Stattdessen wollen die Veranstalterinnen und Veranstalter von Queeres Regensburg eine stationäre Kundgebung abhalten, die besser zu schützen ist – gefolgt von einem kurzen Marsch.
Gesamtgesellschaftliche Entwicklung: Polizei hat die Organisatoren gewarnt
Der Hintergrund: Es habe eine Warnung der Polizei mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung gegeben, sagt CSD-Organisator Alexander Irmisch der AZ – aber kein Drohschreiben, wie vielfach behauptet werde. In Berichten ist von Hetze aus dem rechtsextremen und dem islamistischen Milieu die Rede.
Er sei "erschüttert", sagt Florian Siekmann der AZ über die Vorgänge in der Domstadt. "CSDs stehen für alles, was Rechtsextremisten und Islamisten hassen: freie Entfaltung der Persönlichkeit, Menschenwürde und Vielfalt."
Die Pride-Paraden seien Lebensfreude pur und stünden für unsere freie Gesellschaft. "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine unheilige Allianz aus Rechtsextremisten und Islamisten diese Lebensfreude bedroht und einschränkt", so der Münchner.
Regenbogen-Paraden sind im Visier von Rechtsextremisten
Grundsätzlich wolle man sich von der Hetze gegen queere Menschen nicht einschüchtern lassen, die besonders in den Sozialen Medien zuletzt deutlich zugenommen habe, sagt der Regensburger CSD-Organisator. Doch auch Alexander Irmisch, der sich zudem auf Landes- und Bundesebene für queere Themen einsetzt, hat mitbekommen, dass Regenbogen-Paraden zuletzt immer stärker in den Fokus rechtsextremer Kreise geraten sind.
Siekmann bestätigt: "Leider ist es in den letzten Jahren immer wieder zu rechtsextremistischen Drohungen gegen CSDs und Übergriffe auf einzelne Teilnehmende bekommen.“ So reisten im Sommer 2024 Hunderte Rechtsextreme ins ostsächsische Bautzen, um eine solche Veranstaltung aktiv zu stören. Ein Großaufgebot der Polizei war im Einsatz, um den Umzug der LGBTQ-Gemeinde zu schützen. Trotzdem brannten mehrere Regenbogenfahnen.
Auch in Landshut kam es zu Störungen
Auch in Landshut versuchten drei Dutzend Rechtsextreme 2024 – erfolglos – den CSD zu stören. Sie waren einem Aufruf von "Jung und Stark Bayern" gefolgt, einer Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. "Ihre Mitglieder sind extrem jung, oft erst zwölf, 13 oder 14 Jahre alt. Sie radikalisieren sich online und organisieren sich über Instagram oder Chat-Gruppen", warnte Florian Siekmann bereits Ende Mai.

Mit der Online-Kampagne "Stolz-Monat" wird von rechter Seite seit einiger Zeit aktiv gegen den Juni als "Pride-Month" der queeren Community Stimmung gemacht.
"Wir dürfen uns nie wieder unsichtbar machen lassen"
Es sei Aufgabe des Staates, CSDs so gut wie möglich abzusichern, sagt Siekmann – und er appelliert zugleich an die Regenbogen-Gemeinschaft sowie deren Unterstützer: "Besucht gerade in diesem Jahr CSDs. Rechtsextremisten und Islamisten wollen uns unsere Sichtbarkeit nehmen. Sicherheit wird es auf Dauer aber nur mit viel Sichtbarkeit geben. Wir dürfen uns nie wieder unsichtbar machen lassen."
"Wir wollen weiter sichtbar und hörbar sein", sagt auch Alexander Irmisch. Trotzdem habe man für die Parade am 5. Juli nun reagieren müssen. Vor wenigen Tagen wurde Irmisch im Gespräch mit Polizei und Ordnungsamt informiert, dass eine „abstrakte Bedrohungslage“ bestehe. Darauf habe man reagieren müssen, um ein "Höchstmaß an Sicherheit" für Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die Einsatzkräfte zu gewährleisten.
Stationäre Kundgebung statt Parade
Statt der Parade durch die Stadt wird jetzt am Domplatz eine stationäre Kundgebung abgehalten. Gegen 13 Uhr werde man dann gemeinsam auf direktem Weg über die Steinerne Brücke nach Stadtamhof ziehen. In dieser Form sei die Veranstaltung leichter abzusichern.
Martin Bauhof, Landessprecher der Linken, fordert nach alldem politische Konsequenzen: "Wir müssen Queerfeindlichkeit an ihrer Wurzel bekämpfen. Dazu gehört neben queerer Repräsentanz in Politik und Medien vor allem eine queerfreundliche Bildung in der Schule", sagt er. Kinder müssten lernen, dass queere Lebensentwürfe ebenso viel wert seien wie heteronormative. "Erst dann werden queere Menschen sicherer leben und CSDs nicht mehr abgesagt", so Bauhof.
Leicht sei die Entscheidung zur Planänderung nicht gefallen, sagen die Veranstalter in Regensburg. Schließlich war die Parade in den letzten Jahren ein großes Spektakel, an dem Tausende Menschen teilnahmen. Die Sicherheit habe aber „oberste Priorität“, sagt Irmisch.
Für das Straßenfest auf der Hauptstraße in Stadtamhof werde man deshalb Security und Ordner aufstocken, Betonpoller seien vorgesehen. Damit auch dieses Jahr die Menschen einen bunten, fröhlichen und sicheren CSD feiern können.
- Themen:
- Polizei