Vater löscht Familie aus – Suche nach dem Warum
HIMMELSTADT/WÜRZBURG - Eine ganze Familie ist ausgelöscht: Familienvater Steffen S. tötete erst seine Frau, dann die beiden Söhne und schließlich sich selbst. Er kündigte die Tat per SMS an. Doch die Frage, die alle beschäftigt bleibt: Warum?
Ausgelöscht. Mit diesem Wort beschreibt Unterfrankens Polizeipräsidentin Liliane Matthes am Mittwoch die grausame Tat eines zweifachen Familienvaters aus dem unterfränkischen Himmelstadt. Der 39-Jährige hat seine Ehefrau, die Mutter seiner beiden Buben, kaltblütig erschossen. Danach verschwindet der Mann am Montag mit seinen Kinder ins tschechische Eger.
In einer Pension wenige Kilometer hinter der bayerischen Landesgrenze wissen der Siebenjährige und sein zwei Jahre jüngerer Bruder nicht, was ihr Papa vorhat. In den frühen Morgenstunden am Dienstag verschickt der Mann an Freunde in Dresden eine SMS, kündigt seine Tod an. Danach tötet er die Jungen und erschießt sich.
Warum? Das wissen die Ermittler auch am Mittwoch noch nicht – oder wollen es nicht sagen. „Es ist bekannt, dass die Ehe wohl zerrüttet war“, erläutert Kriminaloberrat Hartmut Fertig in Würzburg. „Ein Abschiedsbrief ist bislang nicht gefunden worden.“ Ob die Familie Schulden hatte, Eifersucht eine Rolle spielte oder der Familienvater seine Ehefrau zurückwollte – das müssen die Polizisten herausfinden. Auch zur Herkunft der Pistole kann zunächst niemand etwas sagen.
Problem: Zwei Tatorte, zwei Länder. Die 29 Jahre alte Mutter ist im 1750-Seelen-Dorf Himmelstadt (Landkreis Main-Spessart) erschossen worden, ihre Kinder und ihr Ehemann starben in Tschechien. Jetzt arbeiten fränkische und tschechische Polizisten an dem Fall. Bis feststeht, was den Unternehmer zu seiner Bluttat trieb, können Tage, wenn nicht sogar Wochen vergehen.
Der 39-Jährige verkaufte Systeme für die Gebäudereinigung. „Die Ehefrau war in seiner Firma angestellt“, sagt Fertig. In einem Gewerbegebiet am Stadtrand – keine 200 Meter vom Main entfernt - wohnten und arbeiteten beide in einem großzügigen Haus. Nach der Trennung zog die Frau aus Thüringen in eine eigene Wohnung. Die Buben lebten abwechselnd bei Mama und Papa.
Irgendwann am Montag erschießt der Unternehmer die 29-Jährige in einem Gästezimmer des Anwesens. Wahrscheinlich war die Tat detailliert geplant. „Wir wissen, dass er seine Kinder am Montagvormittag aus dem Kindergarten abgeholt hat“, erläutert der Kriminaloberrat. Den Betreuerinnen erzählt der 39-Jährige, die Oma sei ins Krankenhaus gekommen. Niemand wird misstrauisch. „Es war nicht Außergewöhnliches, dass der Vater die Kinder in den Kindergarten gebracht und wieder abgeholt hat.“
Der Siebenjährige geht eigentlich schon in die Schule. Da aber Ferien sind, wurde er wohl gemeinsam mit seinem Bruder in der Kita betreut. Genaueres sollen die Ermittlungen ergeben.
Nichts deutet bisher daraufhin hat, dass der Unternehmer seine Buben als Geisel genommen und gewaltsam nach Tschechien verschleppt hat. „Die Kinder sind um 22.00 Uhr noch Fußball spielend auf dem Gang des Hotels gesehen worden“, berichtet Polizeipräsidentin Matthes. In der Unterkunft waren sie mit ihrem Vater die einzigen Gäste. Warum der 39-Jährige nach Eger fuhr, steht noch nicht fest.
Als die Dresdner Freunde des Mannes am Dienstagmorgen die Polizei über die erschreckende SMS des 39-Jährigen informieren, ist es für die Buben wohl schon zu spät. „Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon tot“, sagt Matthes. Doch das weiß in diesem Augenblick noch niemand.
Eine 20-köpfige Ermittlungsgruppe wird eingesetzt, Würzburgs Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager später gar per Hubschrauber an die tschechische Grenze geflogen. Doch Polizei und Staatsanwaltschaft kommen am Dienstagnachmittag zu spät, wie Matthes einräumen muss. „Es ist das Ergebnis eines tragischen Tages, dass ein Familienvater seine ganze Familie ausgelöscht hat.“
Am Mittwoch ist das Absperrband der Polizei vor dem Haus in Himmelstadt zerrissen. Ermittler sind noch vor Ort, ansonsten ist es in dem Gewerbegebiet ruhig. Im Vorgarten des Anwesen deutet ein Fußballtor daraufhin, dass die Jungen dort öfter gespielt haben.
Angelika Röpcke, dpa
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