Ursula-Herrmann-Prozess: "Sie hat mich direkt angeschaut"
AUGSBURG - Zweiter Tag im Prozess um den Tod von Ursula Herrmann: Franz-Josef B. (60) wird den 4. Oktober 1981 nie mehr vergessen. Der Tag, an dem der Polizist in einem dicht bewachsenen Waldstück bei Eching am Ammersee eine eingegrabene Kiste öffnet und in die Augen der toten Ursula Herrmann blickt.
Dafür angeklagt ist der 58 Jahre alte Werner M. Der Vorwurf: Erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge. Er soll die Kleine entführt und in die im Wald vergrabene Folterkiste gesperrt haben. Seine 62 Jahre alte Ehefrau muss sich wegen Beihilfe zur Tat verantworten. Beide bestreiten das Verbrechen. Noch einmal muss der inzwischen pensionierte Polizist Franz-Josef B. deshalb die Ereignisse vor 27 Jahren, seine Ermittlungsarbeit schildern.
Das Mädchen war jämmerlich erstickt. Zwei Atemzüge hatten gereicht und die Luft war ihr in der engen Kiste ausgegangen. Als man sie fand, habe sie bereits Schimmel im Gesicht gehabt, berichten die Ermittler. „Der Täter hat nicht bedacht, dass ohne Ventilator trotz des Lüftungsrohres kein Luftaustausch stattfinden kann“, erklärt Joachim S., der zu Beginn die Ermittlungen leitete. Das zehnjährige Mädchen starb, weil ihr Entführer einen fatalen Denkfehler machte.
Der Mann auf der Anklagebank, hört sich das an, ohne Reaktionen zu zeigen. Als eiskalt und egozentrisch wird Werner M. von dem Ermittler beschrieben. Er habe sich selber immer wieder Autos und Boote gekauft, häufte bei seiner Bank Schulden von 141000 Mark an.
Bereits früh wurden Fehler gemacht
In der Kiste fanden sich Groschenromane, Comics und Taschenbücher. Getränke, Schokolade, zwei Wolldecken und ein Eimer voller Wasser, der dem Mädchen als Toilette dienen sollte. Ein Nachbau der Kiste und Ursula Herrmanns Fahrrad sollen den Prozessbeteiligten veranschaulichen, was da vor 27 Jahren passiert ist.
Dass bereits früh Fehler gemacht wurden, wird an diesem zweiten Prozesstag schnell klar. So berichtet Franz-Josef B., dass er die Kiste im Boden lassen wollte, um sie von Spezialisten gründlicher auf Spuren zu untersuchen. Doch das gefundene Material schien seinen Vorgesetzten gut genug, um damit schnell an die Presse gehen, um auf die Weise Hinweise auf den Täter zu gekommen. „Ich war nur Poizeiobermeister. Ich hatte am Tatort nichts zu sagen.“
Bei der Bewertung der Spuren gab es Differenzen zwischen den Ermittlern
Nur acht Stunden nach Auffindung wurde die Kiste abtransportiert. Ursula hatte man zuvor aus der Kiste gehievt und auf Spuren unter den Fingernägeln oder in den Haaren untersucht. Die Kiste aber stand lange offen. Er könne auch nicht ausschließen, dass sie angefasst wurde.
Auch Ermittlungschef Joachim S. berichtet in seiner Zeugenaussage von großen internen Differenzen in der Bewertung der Spuren. Während er die Spur Werner M. weiter intensiv verfolgen wollte, hatten andere Ermittler andere Verdächtige im Visier. Joachim S. verlor den internen Machtkampf und wurde im Oktober 1982 abgelöst.
In einer Verhandlungspause unterhält sich der Ex-Soko-Chef mit Ursulas Bruder Michael. Der verfolgt als Nebenkläger den Prozess gegen den Mann, der seine kleine Schwester auf dem Gewissen haben soll. Sagen möchte er zu diesem Zeitpunkt aber nichts. Vielleicht nach dem Urteil, doch das wird bis Ende des Jahres auf sich warten lassen.
John Schneider
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