Ursula Herrmann-Prozess: Angeklagter beteuert seine Unschuld

AUGSBURG - Auftakt mit Hindernissen: Das Verfahren gegen den mutmaßlichen Entführer von Ursula Herrmann in Augsburg wurde bis zur Mittagspause bereits zwei Mal gestoppt - und wieder begonnen. Der Angeklagte beteuert: „Ich habe mit der Tat nichts zu tun.“
Die Verteidigung des mutmaßlichen Täters Werner M. hatte zunächst eine Aussetzung des Verfahrens für zwei Monate gefordert. Sie begründete das mit dem Hinweis, dass die Aktenlage mit rund 270 Bänden und zusammen 50 000 Blatt völlig unübersichtlich sei. Dann beantragten die zwei Juristen, zumindest bis zum kommenden Donnerstag auszusetzen.
Doch das Gericht entschied in beiden Fällen: Der Prozess wird wie geplant fortgesetzt. Deswegen begann Werner M. kurz nach 12 Uhr, seine vorbereitete Erklärung vorzutragen. Tenor seiner Einlassungen: „Ich habe mit der Tat nichts zu tun“, so der 58-Jährige. „Ich bedauere den Tod von Ursula Herrmann und das Schicksal der Familie.“ Mit fester Stimme versicherte der Angeklagte, er rechne fest mit einem Freispruch.
„Heute stehe ich aber hier und muss um mein Leben und das meiner Frau kämpfen“, sagte er. Auch seine Frau Gabriele M. wies in einer kurzen Stellungnahme die Vorwürfe zurück. In seinen mehr als eine Stunde dauernden Ausführungen versuchte Werner M., die Indizien gegen ihn zu zerpflücken. Ein Tonband, das man vor zwei Jahren bei ihm fand und das laut phonetischem Gutachten bei Erpresseranrufen zum Einsatz kam, habe er erst 2007 auf einem Flohmarkt gekauft, sagte der Angeklagte. „Die Schweigeanrufe stammen nicht von mir“, wies er die Erpressungsvorwürfe von sich.
Nur einmal verlor Werner M. ein wenig die Fassung. Als er nämlich über sein Verhältnis zu seiner Frau sprach. Im Vorfeld des Prozesses war über eine mögliche Trennung spekuliert worden. Das wie der Kaufmann zurück: Er liebe seine Ehefrau noch immer.
Einen Bekannten, der ihn belastet hatte, beschrieb er als „leicht beeinflussbaren und haltlosen Alkoholiker“, der es auf die Belohnung abgesehen habe. Die Tage rund um die Entführung des Mädchens habe er mit seiner Frau und mit Freunden verbracht. Den Ablauf hätten sie zusammen rekonstruiert. Es gebe einen anderen früheren Verdächtigen, gegen den ebenso viele Indizien sprächen, sagte der Angeklagte. Gegen diesen Mann, einen Polizeibeamten, sei aber nicht intensiv genug ermittelt worden.
Werner M., der im Mai 2008 in Kappeln (Schleswig-Holstein) festgenommen wurde, war kurz nach 9 Uhr in jägergrünem Hemd und Pulli in den Gerichtssaal geführt worden. Er wirkte vom ersten Moment an sehr selbstbewußt, antwortete mit deutlicher, lauter Stimme auf die Fragen nach seinen Personalien. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge vor, seine Ehefrau muss sich wegen Beihilfe vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Das Ehepaar hatte die Tat immer bestritten. Vor Gericht beteuerte Werner M. seine Unschuld. „Ich habe mit der Tat nichts zu tun“, sagte der 58-Jährige. „Ich bedauere den Tod von Ursula Herrmann und das Schicksal der Familie.“
Der 58-Jährige gab als Beruf "Kaufmann" an. Er gegrüßte zunächst seinen Anwalt per Handschlag, dann seine Frau, die wegen eines unfallbedingten Hüftleidens an Krücken geht. Die 62-Jährige mit dunkel gefärbten Haaren trug einen bordeauyfarbenen Hosenanzug und ein buntes T-Shirt. Landgerichtsarzt Dr. Richard Gruber attestierte ihr Verhandlungsfähigkeit - allerdings mit regelmäßigen Pausen.
Werner M. nahm die Verlesung der Anklageschrift unbeteiligt auf. "Er tat so, als würde ihn das gar nichts angehen", berichtet AZ-Reporterin Nina Job aus dem Gerichtssaaal. Nach außen hin ungerührt steckte sich der Angeklagte ein Halsbonbon in den Mund.
Die 112 Plätze des Gerichtssaals sind vollständig besetzt, hinter den Richtern und Schöffen reihen sich rund 75 Aktenordner mit den Ermittlungsergebnissen im Fall Ursula Herrmann.
Die Schülerin aus Eching am Ammersee war im September 1981 entführt worden. Sie erstickte in der Holzkiste, in der sie im Waldboden versteckt worden war. Die Anklage wirft dem Beschuldigten vor, die Entführung bereits im Frühsommer 1981 zur Erlangung eines Lösegelds von umgerechnet einer Million Euro geplant zu haben. Am 15. September 1981 soll er in den Abendstunden die Schülerin auf deren Heimweg vom Rad gerissen und in den Wald verschleppt haben.
Da die Belüftung der Kiste nicht funktionierte, erstickte das Mädchen kurz nach der Entführung. Dennoch gingen bei Ursulas Eltern zwei Erpresserbriefe und Erpresseranrufe ein. Die Briefe soll die Ehefrau des Beschuldigten aus Textteilen von Zeitungen zusammengeschnitten haben. Als die Eltern einen Nachweis über die Unversehrtheit ihrer Tochter verlangten, brach der Kontakt zu dem Entführer ab. 19 Tage nach der Tat wurde Ursulas Leiche von einem Suchtrupp der Polizei in der vergrabenen Kiste gefunden.