Ursula Herrmann: Die Schlinge zieht sich zu
AUGSBURG - Im Prozess um den Tod der kleinen Ursula Herrmann (10) vor 28 Jahren geht es erneut um das wichtigste Indiz gegen den Angeklagten: Werner M. (58) soll mit dem bei ihm gefundenen Tonbandgerät die Eltern des enführten Kindes telefonisch erpresst haben.
Der Tag der Fragen im Ursula-Herrmann-Prozess: Nachdem sie bereits das Erpresserband dem beim Angeklagten gefundenen Tonbandgerät zugeordnet hat, musste sich Dagmar Boss, Phonetik-Expertin des LKA, den Fragen der Verfahrensbeteiligten stellen. Werner M. soll laut Anklage die zehnjährige Ursula Herrmann 1981 in Eching am Ammersee entführt und in eine Holzkiste im Waldboden gesperrt haben. Das Mädchen erstickte. Der Angeklagte und seine wegen Beihilfe angeklagte Frau streiten die Tat ab.
Seit 1989 ist Dagmar Boss mit dem Fall beschäftigt. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Erpresser-Band mit dem BR-Signal auf ein kleines Diktiergerät oder einen Cassettenrecorder überspielt wurde, um es in einer Telefonzelle abspielen zu können. Boss: „Ein großes Tonbandgerät lässt sich nicht mit Batterie betreiben. Der Täter wäre damit stark aufgefallen. In einer Telefonzelle muss ein kleines, mit Batterie betriebenes Gerät benutzt worden sein.“
Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft betonte Boss noch einmal, dass die Ähnlichkeit zwischen den Eigenarten des Tonbandgerätes und des Erpresser-Bandes „frappierend" ist: „,Wahrscheinlich’ ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt." Und darin begründet, dass 28 Jahre seit den Anrufen vergangen sind. „Über ,wahrscheinlich’ kann ein Gutachten nach so langer Zeit nicht hinausgehen“, erklärte Dagmar Boss.
Verteidiger Walter Rubach hegt Zweifel an der Vollständigkeit des Gutachtens. So sei nicht klar, woher die Töne der Erpresser-Anrufe stammen, die nicht dem Tonbandgerät des Angeklagten zugeordnet wurden. Zu Beginn der Ermittlungen hätten zudem viele Ermittler Zusammenschnitte der Täteranrufe hergestellt. „Der Umgang mit der Tätertonfolge und den Bändern macht mich misstrauisch. Wo ist das Zeug?“ – „Bei uns. Aber wir nutzen das Original. Nichts ist besser als das Original“, konterte die Expertin.
Auch Nebenkläger Michael Herrmann, der Bruder des Opfers, befragte Dagmar Boss. So sei es für ihn erstaunlich, dass der Aufnahmekopf des Gerätes, das man bei Werner M. fand, nie rejustiert werden musste. Die Schrägstellung des Aufnahmekopfes war ein zentrales Indiz im Gutachten gewesen. Boss erklärte, dass ein pfleglich behandeltes Gerät durchaus ohne Reparaturen auskommt. Auch die Frage nach der möglicherweise verfälschenden Positionierung des Aufnahmegerätes bei der Versuchsanordnung der Ermittler entkräftete die Gutachterin. Die für das Tonbandgerät charakteristischen Normabweichungen seien in einem sehr breiten Positions-Spektrum nachgewiesen worden.
Michael Herrmann: „Im Prozess müssen auch mögliche Alternativ-Täter noch abgearbeitet werden." John Schneider
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