Unterm Schutzschirm

ERLANGEN - Goldgräber am globalen Dorfplatz: Berliner Weltmusik der 17 Hippies im vollen Erlanger E-Werk.
Am Ende, nach ihrer Reise um die Welt in 150 Minuten und sechs Zugaben, spannen die 17 Hippies Schutzschirme auf und ziehen lächelnd davon. Als Symbol der Poesie, die über schamloses Wirtschaftsgejammer siegt, hatte ein Rettungsschirm von Beginn seinen Platz auf der Bühne des E-Werks, bevor die musikalischen Goldgräber ihren Claim auf dem globalen Dorfplatz von Berlin absteckten. „El Dorado“ heißt das neue, famose Album (Hipster), das im Zentrum steht und keine Grenzen kennt. Und das Kunststück vollbringt, im Schüttelbecher flimmernder Stile und Stimmungen verschärft den eigenen Standort erkennen zu lassen. Eine Wurzelbehandlung, die zusehends auch einen Nerv trifft: Der Saal ist voll und die ansteckende Energie schont keinen. Urbane Volksmusik als Ervolksmusik.
Eigentlich ist dieser disziplinierte Individualistenhaufen der schönste Anachronismus, der der deutschen Musikszene passieren kann: Verschwenderisch in der Besetzung (reguläre 13 Hippies fächern den Sound in Doppel-Sextetten auf), korrekt im Rotationsprinzip (jeder darf ins Spotlight und Sportlichkeit rausspielen), hartnäckig im Ausschwärmen ins Schwärmerische. Ein Weltempfänger mit Antenne für Geschmack und Schmackes, Seele und Schmelz. Die Antwort auf Goran Bregovic’ „Funeral and Wedding Band“; eine „ Friedrichshain und Wedding Band“, bei der hinter Moldawien Mexiko beginnt, hinterm Küchenlied der Country, hinterm Überschwang die Melancholie, hinterm Hessen-Rap der Cajun-Klang. Es sprudelt der Aufschwung Ost. Und das „Tick Tack“ der Weltuhr schwillt zum vielstimmigen Entertainment-Kanon an.
Berliner Luft, roten Mond und grüne Pub-Flaschen reichen die „Zaungäste eurer Träume“ reichlich als Aromaverstärkung. Zum Abschied singt Kiki Sauer chansonverhangen „Adieu“: „Doch dein Duft in der Luft bleibt zurück“.
Andreas Radlmaier