Unter Grubenlampen zur Sitz-Polonaise
NÜRNBERG - Bei »Next Generation« sortiert Nürnbergs Tanz-Compagnie ihr Talent: Spartendirektorin Daniela Kurz schickt für die Sammelbestelltung 14 Akteuren auf die Bühne des Schauspielhauses, acht davon waren auch als Choreographen im Einsatz.
Von den 14 Akteuren der Nürnberger Tanztheater-Compagnie, die Spartendirektorin Daniela Kurz für die Sammelbestelltung „Next Generation“ auf die Bühne des Schauspielhauses schickte, waren acht auch als Choreographen im Einsatz. Eine stolze Quote von Talent-Behauptung, aber eben doch ein schöner Zug an ihr, die vorletzte Premiere der Amtszeit als Test-Strecke freizugeben. Auch fürs Publikum ist es eine Chance. Vor der Wende zum „Handlungsballett“ kann jeder die Auswirkungen eines anders prägenden Jahrzehnts prüfen. Überraschung: Keiner der acht Junioren imitiert die Chefin.
Sehr unterschiedliche Stücke
Dechiffrieren ist schon die halbe Kunst im Tanztheater, wo das scheinbar Abstrakte gerne auf gebrauchsphilosophischen Denkkonstrukten federt. Die formal wie stilistisch sehr unterschiedlichen Stücke aus dem Phantasie-Fundus der Solisten orientieren sich an plakativen Gedanken. Das Spiel hat immer Ziele vor Augen – auch wenn es die oft nicht erreicht. Es geht um Individualismus (Felicitas Madl bemüht für die Darstellung von Fragilität Seifenblasen und ein Luftballon-Kostüm), verirrte Seelen (Samuel Delvaux schickt sie durch Schatten ins Licht), Schwellenängste zwischen Vergangenheit und Zukunft (Victoria Diaz Ortiz setzt sie in den Irrgarten) sowie Familienerfahrung mit dem Alter (Cristina Gabarre lässt Herbstlaub vom Bühnenhimmel rieseln).
Paolo Mangiolas ironisches Verständnis für den Stress-Faktor im Star-Dasein könnte ohne weiteres auch die Bausch-Sitzpolonaisen mitnehmen, die zu Beginn für Madls „halbtrocken“ angezapft waren. Neben der „The end of living“ genannten Halb-Satire ist „Ending-dong“ von Sergiu Matis der größte und erkennbar ambitionierteste Beitrag. Da wird ein System von Zusammenbruch und Aufbäumung in allen Varianten durchdekliniert, mit hackenden Szenen-Blenden, Kampf-Attacken und Sprach-Floskeln, höhnischem Spiel mit Licht und strategischer Verunsicherung des Blicks.
Verbindung von Spot und Spott
Eine Verbindung von Spot und Spott führt zu finaler Skepsis. Nicht ganz plausibel, aber eindrucksvoll auch im Tänzerischen. Dynamik, wie er sie selber als Solist immer ausstrahlt, bevorzugt Leonardo Rodrigues auch in seiner Choreographie „verLUST“ mit keuchendem Atem als Soundtrack und rasanter Krabbel-Energie des hyperaktiven Quartetts.
Ensemble-Arbeiten dominierten, also die Lust an kommunikativ ausgerichteter Inspiration. Als Kontrast wirkte Carline van Oels Solo-Entwurf „Homemade“, wie ihn Samuel Delvaux unter einem Himmel von Grubenlampen als Suche nach dem eigenen Ich vorführte, umso stärker.
Mit dem Timing stimmt nicht alles bei „Next Generation“ und etliche Stücke haben vom Ehrgeiz ihrer Schöpfer mehr Hektik als Aussagekraft runtergeladen. Trotzdem, selbst wo die Performance außer Tänzern und rätselnden Gedanken nichts bewegt, bleibt sie rührend. Nürnbergs Tanz-Fans jubelten fast wie immer.
D. Stoll
Nächste Aufführungen: 12. und 18.2., 4. und 9.3., 21. und 27.4. – Karten Tel. 0180-5-231600
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