Typen, die mitreißen

Steffen Zimmermann (Jahrgang 1976), Geschäftsführer der Musikzentrale, Gitarrist und Mitorganisator des Brückenfestivals, über Bühnenpräsenz und Entdeckerlust
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Im vergangenen Jahr Treffpunkt für 6000 Sommerloch-Geschädigte: das Nürnberger Festival unter der Theodor-Heuss-Brücke, hier beim Auftritt der 17 Hippies.
Frank Schuh Im vergangenen Jahr Treffpunkt für 6000 Sommerloch-Geschädigte: das Nürnberger Festival unter der Theodor-Heuss-Brücke, hier beim Auftritt der 17 Hippies.

Nürnberg - Steffen Zimmermann (Jahrgang 1976), Geschäftsführer der Musikzentrale, Gitarrist und Mitorganisator des Brückenfestivals, über Bühnenpräsenz und Entdeckerlust

Ein Hauch von Underground mit angeschlossenem Naherholungsgebiet ist nicht zu übersehen beim Nürnberger Brückenfestival, das heuer mit einem Kulturstipendium der Stadt ausgezeichnet wird und am Freitag und Samstag unter der Theodor-Heuss-Brücke im Westen auf Geheimtipps und Alternativcharme (Poetry Slam und Flatter-Deko gehören dazu) setzt. Robocop Kraus, Mardi Gras bb und die 17 Hippies hatte das achtköpfige Organisationsteam in den vergangenen Jahren mitten ins Sommerloch platziert. Wir sprachen vor der 8. Auflage mit Organisator Steffen Zimmermann.

AZ: Herr Zimmermann, die einen schlafen unter der Brücke, die anderen spielen unter der Brücke. Sind Musiker Ihrer Meinung nach Underdogs, Randerscheinungen der Gesellschaft?

STEFFEN ZIMMERMANN: In keinster Weise. Als wir mit dem Brückenfestival begonnen haben, war ein Ziel, einen Spielort zu finden, der mit Kultur noch nicht in Verbindung gebracht wurde. Deswegen waren wir im ersten Jahr auch bei der Brücke an der Desi. Als die renoviert wurde, sind wir eine Brücke weiter gezogen. Das war der Hintergedanke: einen Spielort zu kreieren — und da hat sich die Theodor-Heuss-Brücke als nahezu perfekt herausgestellt.

Um Glamour geht’s bei diesem Ambiente nicht, oder?

Definitiv. Wir versuchen natürlich schon, aus diesem Beton-Bauwerk, dem man nicht zwingend Schönheit attestieren kann, das Schönste rauszuholen. Sei es mit Lichtinstallationen oder Deko. Wir wollen, dass dieser Platz für ein Wochenende komplett zweckentfremdet ist. Dass man das Gute nutzt, also das Dach und den pflegeleichten Betonboden, und dass es sehr gemütlich erscheint.

Bedeutet da der jetzige Rahmen eine Zwischenstufe?

Darüber gibt’s durchaus interne Gespräche. Man kann versuchen, noch bekanntere Bands zu buchen und dadurch überregional etwas präsenter zu sein. Aber das wollen wir eigentlich nicht. Es soll für den Großraum sein. Wachsen soll das Ganze schon. In dem Sinne, dass es fester Szene-Bestandteil wird.

"Authentizität, Ausstrahlung, Bühnenpräsenz"

Steckt es wohl noch nicht drin in den Köpfen?

Bei vielen schon. Aber es gibt genauso viele, die sagen: Brückenfestival? – nie gehört! Dadurch, dass es mitten in der Urlaubszeit ist, ist dem eben so.

Der Nulltarif-Aspekt müsste da doch ein Türöffner sein.

Das macht’s natürlich einfacher. Wenn man Eintritt verlangt, braucht man irgendwelche Zugpferde. So ist die Schwelle wesentlich niedriger. Und das gehört zum Charakter dieser Veranstaltung.

Das Festival sprang anfangs in die Lücke, die „Rock im Burggraben“ als Szene-Schau hinterlassen hatte. Ihr stützt das Programm mit Bands von USA bis Schweden. Warum?<</b>

Kriterium ist nicht Regionalität, sondern, ein rundes Programm auf die Beine zu stellen. Natürlich liegt uns die regionale Szene am Herzen, da kennen wir uns auch besser aus und heuer stellt sie auch wieder zwei Drittel des Angebots. Aber woher die Bands kommen, ist eigentlich zweitrangig.

Was macht ein „rundes Programm“ aus?

Uns ist am allerwichtigsten die Live-Präsenz. Eine Band, die, ganz egal welche Musikrichtung sie repräsentiert, das Publikum begeistern kann, die dieses Live-Gefühl überspringen lassen kann. Und das haben nicht alle Bands.

Man könnte doch auf Originalität als Kriterium pochen?

Ist bestimmt auch wichtig. Aber was bringt mir eine Band, die sehr originell ist und das live nicht rüberbringt? Da sind wir auch schon auf die Nase gefallen. Nein, es geht um Authentizität, Ausstrahlung, Bühnenpräsenz.

Ist das nun Festivalkonzept oder persönliche Sehnsucht?

Durchaus Festivalkonzept. Und da geht’s nicht darum, dass alle auf der Bühne rumspringen und abgehen. Es gibt durchaus Bands, die in Ruhe ihre Sachen präsentieren, aber allein als Typen die Leute mitreißen.

Werden Sie eines Tages den sechsspurigen Ausbau der Heuss-Brücke fordern, damit drunter mehr Platz ist?

Wir haben uns schon überlegt, was wir zum zehnjährigen Jubiläum, das ja auch nicht mehr weit weg ist, machen sollen. Und da gibt’s ja noch andere Brücken...Nein, aber vergrößern wollen wir uns in dieser Beziehung eigentlich nicht. Wir wären fürs erste schon froh, wenn es mal nicht regnen würde.

Interview: Andreas Radlmaier

Entdeckerlust zwischen Pop und Poetry Slam ist erste Pflicht beim Brückenfestival. Am Freitag (ab 17 Uhr) führen Bonaporte, Electro-Punks mit Hang zu Steptanz und Maskerade, und die Schweden von Friska Viljör mit melodiösem Indie-Folk das Programm an. Am Samstag spielen ab 14 Uhr nach The Green Apple Sea, den Jamaiko-Franken Yohto u.a. auch O’Death aus New York trashigen Country und Fatima Spar und ihre Wiener Freedom Fries Swing mit Balkan-Appeal.

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