TV-Moderator wirft sich vor ICE
NÜRNBERG - Mobbing im Studio Franken des BR? Peter Sauer (50), Chef der Nachrichten-Redaktion in Nürnberg, beging Selbstmord. Mitarbeiter hatten schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben. Er hinterließ einen Brief an seine Familie
Schock beim BR-Studio Franken in Nürnberg! Peter Sauer (50), der Chef der aktuellen Nachrichten- und Online-Redaktion beim Bayerischen Fernsehen, ist tot. Am Donnerstagabend nahm sich der TV-Mann, den viele Zuschauer als Moderator der „Frankenschau“ kennen, das Leben.
Für die letzten Sonnenstrahlen, die gerade am Himmel verschwanden, hatte Peter Sauer keinen Sinn. Es war kurz nach 20 Uhr, als er in der Nähe der kleinen Gemeinde Diebach (Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) den Bahndamm hinaufkletterte, um dort zu sterben. Später wird der Lokführer des ICE aussagen, dass er keine Zeit mehr hatte, um den nahezu 800 Tonnen schweren Zug rechtzeitig zum Stehen zu bringen. Er sah, wie der leitende BR-Redakteur die Schienenseite wechselte, ein Stück direkt auf den Zug zulief – und sich dann an der Markierung 37,8 km zwischen die Schienen kniete. Ein paar Wimpernschläge später war Peter Sauer tot.
Für die Ermittlungsbehörden ist der tragische Todesfall bereits abgeschlossen. Oberstaatsanwalt Wolfgang Träg erklärte gegenüber der AZ: „Es handelt sich ohne Zweifel um einen Selbstmord. Fremdverschulden ist ausgeschlossen. Es besteht kein Anlass für weitere Ermittlungen.“ Auf eine Obduktion des Leichnams wurde deshalb auch verzichtet.
Im Auto fand die Polizei sein Testament
„Der plötzliche und unerwartete Tod von Peter Sauer hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Studio Franken tief erschüttert“, heißt es in der offiziellen Erklärung des BR. Fernsehdirektor Gerhard Fuchs bezeichnet Sauer als „Fernsehmann mit Leib und Seele“, dem „großer Respekt“ und „bleibender Dank“ gebühre. Nürnbergs Studioleiter Martin Wagner charakterisiert den Verstorbenen als „innovativen Journalisten“, der sich durch „Kompetenz und Ideenreichtum“ ausgezeichnet habe. In der wortreichen Erklärung des BR wird der Begriff „Selbstmord“ geschickt umkurvt. Auch über das mögliche Motiv für die Verzweiflungstat des verheirateten Familienvaters, der erst vor zwei Wochen seinen 50. Geburtstag feiern konnte, gehen die TV-Gewaltigen mit keinem Wort ein.
Dabei sah sich Peter Sauer an seinem Arbeitsplatz in der Wallensteinstraße seit Monaten harscher Kritik ausgesetzt, die sich in einer beispiellosen Aktion äußerte. Rund 30 seiner Mitarbeiter unterschrieben eine Erklärung, in der sie ihm das Vertrauen entzogen und seine Ablösung forderten. Zudem streuten BR-Mitarbeiter in den letzten Wochen immer wieder Gerüchte, Sauer habe seine Spesen unkorrekt abgerechnet. Studioleiter Martin Wagner, der beim ersten Auftauchen solcher Vorwürfe von der AZ befragt wurde, wies dies entschieden zurück: „Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.“ Peter Sauer muss die Unterschriftenaktion als Mobbing empfunden haben. Anders ist eine Äußerung seiner Witwe gegenüber der Polizei nicht zu verstehen. Unmittelbar nach dem Selbstmord ihres Mannes soll sie das Wort „Mobbing in der Firma“ als möglichen Grund für die Tat genannt haben. Oberstaatsanwalt Wolfgang Träg wollte dies weder bestätigen noch dementieren, erklärte aber auf entsprechende Nachfrage immerhin: „Nach Aktenlage könnten Probleme im Beruf der Grund für den Suizid sein.“
Nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der sich Sauer vom ICE überrollen ließ, stand am Rand eines Waldstückes sein Wagen, ein Ford Focus. Der TV-Redakteur war offenbar direkt von einer Besprechung in der Münchener BR-Zentrale nach Diebach gefahren. Im Auto fanden Polizeibeamte ein Notizbuch, ein Testament und einen handgeschriebenen Abschiedsbrief an seine Frau und seinen Sohn, der in wenigen Tagen sein Abitur machen soll. Wie schwierig die Situation für die Familie ist, wissen auch die BR-Macher. Auf der Homepage des Senders lässt Studioleiter Martin Wagner wissen: „Unser Mitgefühl gilt der Familie von Peter Sauer.“
Helmut Reister
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