Tumulte im Prozess gegen Neonazi Peter R.
NÜRNBERG Nach der Mittagspause platzte dem Vorsitzenden des Nürnberger Schwurgerichts der Kragen. Wegen anhaltender Störungen linker Aktivisten ließ er im Prozess gegen Schläger Peter R. (24) den Zuhörerraum von der Polizei räumen...
Bereits Stunden vor Prozessbeginn (9 Uhr) glich der Ostbau des Justizgebäudes einer Festung. Dutzende von Polizeibeamten riegelten das Gebäude hermetisch ab. Aufzüge waren lahmgelegt, Zugangstüren versperrt, Übergänge aus dem Hauptgebäude gesperrt. Wer hinein wollte, kam um strenge Kontrollen nicht herum.
Der Plan des Nürnberger „Soli-Komitee gegen Rechts”, den geschichtsträchtigen Saal 600 nicht den Sympathisanten des Angeklagten zu überlassen, ging erst einmal nicht auf. Unter den etwa 150 Zuhörern, die einen der Sitzplätze ergattern konnten, befanden sich etliche Mitglieder der rechten Szene. Die Stimmung zwischen den Gruppen war derart aufgeheizt, dass es sogar zu Rangeleien kam.
Haus und Kanzlei von Anwalt Axel Graemer mit Farbbeuteln bombardiert
„Nazi raus”-Rufe, missbilligendes Gelächter und Zwischenrufe veranlassten Richter Richard Caspar zu deutlichen Warnungen: „Wenn sie sich nicht ruhig verhalten, lasse ich den Saal räumen.” Das zeigte Wirkung – aber nur für kurze Zeit. Nach der Mittagspause befand sich der Gerichtssaal plötzlich fest in der Hand der Linken. Sie waren einfach schneller gewesen und hatten alle Plätze besetzt. Caspar unternahm daraufhin den Versuch, sie zur Räumung von wenigstens zwei Sitzreihen zu bewegen, um das „ideologische Gleichgewicht” im Zuhörerraum wieder herzustellen. Seine Aufforderung ging jedoch im Protestgeschrei unter. Nach der Räumung durch die Polizei glich der Saal einem Schlachtfeld: Zwei Bankreihen waren aus ihrer Verankerung gerissen, Türen zu Bruch gegangen.
Die strafrechtliche Aufarbeitung der Gewalttat, die sich im April letzten Jahres im U-Bahnhof „Plärrer” ereignete und von Staatsanwalt Markus Hofmann als versuchter Totschlag eingestuft wird, nahm dadurch keinen Schaden. Peter R. legte ein entschärftes Geständnis ab. Vom zentralen Vorwurf der Staatsanwaltschaft, bei seiner Prügelorgie den Tod seines 17-jährigen Opfers in Kauf genommen zu haben, wollte er allerdings nichts wissen. Über seinen Anwalt Axel Graemer ließ er erklären: „Dieser Vorwurf ist absurd.” Er habe zwar zugeschlagen. Er sei aber von dem Praktikanten vorher provoziert worden.
Auslöser der Schlägerei war die Freundin (21) des Angeklagten. Sie trug eine Tasche der Marke „Thor Steinar”, die in der Neonazi-Szene schwer angesagt ist. Das spätere Opfer, ein linker Aktivist, pöbelte sie deswegen an – und wurde daraufhin von Peter R. übel malträtiert. Dessen Anwalt, der Erlanger SPD-Stadtrat Axel Graemer, war in der Nacht vor dem Prozess indes Zielscheibe der Linken: Sein Haus und seine Kanzlei wurden mit Farbbeuteln bombardiert.
Helmut Reister
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